Berlin-Tempelhof – Königs-Wusterhausen – Bad Saarow – Teupitz
(Teltowkanal, Spree-Oder-Wasserstrasse, Dahme, Storkower Gewässer, Scharmützelsee, Teupitzer Gewässer; 138 km, 7 Schleusen, 4 Hebebrücken)
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Mit krankheitsbedingter dreiwöchiger Verspätung laufen wir aus Berlin-Tempelhof aus, gut erholt und wieder fit. Zur schnellen Genesung hat auch die Aussicht beigetragen, endlich wieder Schiff fahren zu können. Unser Ziel ist Teupitz, wo wir das Schiff in den Monaten Juni und Juli liegen lassen werden, um uns in der Schweiz unseren Enkeln zu widmen. Aber wir haben eine Woche Zeit, bevor wir (mit dem Auto) in die Schweiz fahren, weshalb wir uns einen Umweg ausgedacht haben. Dieser Umweg führt uns nach Bad Saarow am Scharmützelsee, von dem unsere holländischen Freunde Nell und Frits van Geijtenbeek in den höchsten Tönen geschwärmt haben. Jetzt wollen wir es selber wissen.
Am Nachmittag des Pfingstsamstag laufen wir aus dem Hafen Berlin-Tempelhof aus, verabschiedet von den beiden Hafenmeistern Toni Rüffer und Jens-Uwe Stiebitz. Sie haben sich alle Mühe gegeben, uns den unfreiwillig verlängerten Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Wir biegen aus dem Hafenbecken über Backbord in den Teltowkanal ein und fahren nach Osten Richtung Köpenick.
Der Teltowkanal ist ziemlich langweilig, links und rechts Industrie, aber was solls: Wir fahren! Wir sind völlig allein, viele Frachtschiffe fahren über Pfingsten nicht. Wir haben im Sinn, bis zur Schleuse Neue Mühle in Königs-Wusterhausen zu fahren und uns für die Nacht ins Unterwasser vor die Schleuse zu legen. Wir benötigen rund drei Stunden für die 32 Kilometer, treffen aber auf einen uns nicht eben wohlgesinnten Schleusenwärter. Nein, wir dürfen hier nicht übernachten, auch wenn in einer Viertelstunde Betriebsschluss ist und er am folgenden Tag erst um 09:30 Uhr mit Schleusen beginnt.
Also drehen wir um und machen in 500 Meter Entfernung an der Spundwand neben der dortigen Selbstbedienungs-Tankstelle fest. Zwar steht nicht ausdrücklich, dass man hier anlegen darf, was in Deutschland als Verbot gilt. Aber die vorbeifahrende Wasserschutzpolizei, der wir vorsorglich freundlich zuwinken, lässt uns unbehelligt.
Am nächsten Morgen legen wir uns zeitig vor die Schleuse Neue Mühle – in froher Erwartung eines dichten pfingstsonntäglichen Bootsverkehrs. Weit gefehlt! Es bleibt ruhig vor der Schleuse und wir schleusen lediglich mit einem netten deutschen Ehepaar in einem kleinen Motorboot.
Von Bad Saarow trennen uns jetzt noch 50 Kilometer mit drei Schleusen und einer Hebebrücke. Zwei Schleusen und die Hebebrücke sind selbstbedient. Wieder sind wir auf lange Wartezeiten vor den Schleusen gefasst. Pfingsten und erst noch prächtiges, warmes Wetter – da muss doch etwas los sein auf dem Wasser! Denkste. Wir müssen vor keiner Schleuse länger als zehn Minuten warten und kommen zügig voran.
Nach Königs-Wusterhausen gehts über den Krüpelsee in die Dahme zum Dolgensee. Die Verbindung zwischen dem Dolgensee und dem nachfolgenden Langer See bildet das Blossiner Fliess, ein recht enger und kurviger Kanal. Nicht so eng, aber kurviger ist der sogenannte Sauwinkel, der zum Wolziger See führt. Vom Wolziger See biegen wir in den neun Kilometer langen Storkower Kanal ein, wo uns nach drei Kilometern die Schleuse Kummersdorf erwartet.
Am Storkower Kanal haben wir im August 2013 auf einem Strommast beim Kilometer 14 einen Fischadler fotografiert (Bericht 96). Ob er wieder hier nistet? Und wie! Das Fotografenglück ist uns hold, denn nicht nur bietet uns der Fischadler mit einer eleganten Runde sozusagen eine private Adler-Flugshow, sondern wir sichten im Nest auch Frau Fischadler samt Nachwuchs. Schaut man genau hin, sieht man, dass Papa Fischadler eine Schwalbe in den Fängen hat. Eine Schwalbe im Flug zu fangen, ist die hohe Schule der «Jagdfliegerei»!
Die Bezeichnung «Kanal» für die Fliessen zwischen den Seen ist insofern irreführend, als man gemeinhin unter «Kanal» kein idyllisch mäanderndes, beidseits von Wald und Schilf gesäumtes Gewässer erwartet. Dass uns nur sehr wenige Yachten und einige Wanderkanuten begegnen, ist dem Eindruck der Idylle durchaus förderlich.
Fünfeinhalb enge und kurvige Kilometer später erwartet uns die selbstbediente Schleuse Storkow. Auch hier keine Wartezeit und auch hier schleusen wir allein. Ein paar hundert Meter weiter mündet der Storkower Kanal in den Grossen Storkower See. Über dem linken Ufer thront Schloss Hubertushöhe, davor ist ein Wasserflugzeug am Starten. Der Pilot dreht eine elegante Runde direkt über Kinette, dann entschwindet das Wasserflugzeug Richtung Berlin. Heute ist offensichtlich Flugshow-Tag!
Wir unsrerseits überqueren den Grossen Storkower See und fädeln in das schmale Wendisch-Rietzer Fliess ein, an dessen Ende die letzte Schleuse auf der Strecke nach Bad Saarow liegt.
Eigentlich hatten wir für die Strecke von Königs-Wusterhausen nach Bad Saarow zwei Tage eingeplant. Aber nach der Schleuse von Storkow zeichnet sich ab, dass wir bereits am späteren Nachmittag in Bad Saarow einlaufen könnten. Ein Telefon an den freundlichen Hafenmeister Michael Scholz, ob wir schon heute am späteren Nachmittag ankommen könnten. Wir haben ihn vorsichtshalber schon vor Tagen angerufen und er hat uns einen Steg neben der Passagierschifffahrt reserviert. Ja, der Steg ist frei und ja, wir können ohne Probleme einen Tag früher einlaufen.
Es ist viel Betrieb an diesem sonnigen Pfingstsonntag in Bad Saarow. Direkt vor unserer Anlegestelle ist ein Kinderspielplatz – das wäre ein Paradies für unsere Enkel, wenn sie an Bord wären!
Im Biergarten nebenan musizieren die Spreethaler Blasmusikanten und man fühlt sich in die Zeiten Kaiser Wilhelms II. zurückversetzt.
Bad Saarow ist ein beliebtes Ausflugsziel und verströmt eine reizvolle Mischung aus DDR-Nostalgie und norditalienischer Seen-Atmosphäre. Als Theodor Fontane diese Gegend vor rund hundertvierzig Jahren erkundete, war das offenbar anders. In seinen «Wanderungen durch die Mark Brandenburg» erzählt er jedenfalls, wie er am Dorfrand von Saarow eine alte Bäuerin nach Sehenswürdigkeiten fragte. Sehenswürdigkeiten? Ja, sie hätten einen neuen Kuhstall.
Eine Reihe von prachtvollen Villen am Seeufer deutet darauf hin, dass es sich im realen Sozialismus, wo alle gleich waren, sehr gut leben liess – allerdings galt das nur für diejenigen Genossen, die etwas gleicher waren als die anderen.
So privilegiert die etwas gleicheren Genossen mit ihren Villen auch waren, ein Privileg hatten sie nicht: Direkten Seeanstoss. Dafür hatte der Gartenbauer Ludwig Lesser um 1906 gesorgt. Er hatte das Seeufer im Norden und im Westen frei zugänglich gemacht und einen Uferwanderweg anlegen lassen. Der Dank des Vaterlandes bestand darin, dass Lesser, weil Jude, ab 1933 sämtliche öffentlichen Aufträge verlor und 1939 nach Skandinavien flüchten musste.
Bad Saarow verfügt über einen denkmalgeschützten Bahnhof aus Kaisers Zeiten. Er ist die Endstation der Nebenbahn, die ins nicht weit entfernte Fürstenwalde führt. Aber sehenswert ist der Bahnhof allemal. Unter «Kuriosa» wollen wir vermerken, dass am Bahnhof das Bestattungsunternehmen direkt neben der Boutique «Erlebniswelt» liegt.
Brandenburg ist im wesentlichen Flachland. Auf den rund achtzig Kilometern von Berlin nach Bad Saarow mussten wir insgesamt nur etwa sechs Meter in die Höhe schleusen. Umso bemerkenswerter ist der Hügelzug nördlich von Bad Saarow, die «Rauener Berge», beeindruckende 180 Meter hoch. Ein schmaler Fusspfad führt uns durch einen verwilderten Mischwald in eineinviertel Stunden auf den höchsten Punkt.
Theodor Fontane liess sich in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts auf der anderen Hügelseite mit der Kutsche hinauffahren:
Aus dem Dorfe Rauen fuhren wir abermals in eine Schonung ein, zwischen deren Krüppelkiefern eine Fahrstrasse sich ängstlich hin und her schlängelte, fast als ob jeder einzelne Baum zu schonen gewesen wäre. Wo so wenig ist, ist auch eine Kiefer etwas. Endlich aber passierten wir eine halb offne Stelle, die durch mehrere sich kreuzende Waldwege gebildet wurde.
«Das ist er», sagte Moll und hielt sein Fuhrwerk an.
«Wer?»
«Der grosse Stein.»
«Der Markgrafenstein?»
Allerdings war Theodor Fontane nicht sehr beeindruckt. Er fand, der Stein sehe aus wie ein toter Elefant.
Insgesamt sind es zwei Steine, welche im Pleistozän vom Inlandeis von Südschweden hierher verfrachtet wurden. Der Grosse Markgrafenstein ist ungeachtet seines Namens mit 221 Tonnen deutlich kleiner als der Kleine Markgrafenstein mit seinen 477 Tonnen. Der Grosse Markgrafenstein wog ursprünglich über 700 Tonnen. Aber bereits um 1830 wurde aus dem Stein ein 70 Tonnen schweres Stück herausgetrennt und daraus eine monumentale Granitschale geschaffen, die heute vor dem Alten Museum in Berlin steht. Wilhelm I. liess dreissig Jahre später nach dem Sieg Preussens über Österreich auf dem Babelsberg bei Potsdam eine Siegessäule errichten, deren Material ebenfalls dem Grossen Markgrafenstein aus der Seite gehauen worden war.
Nicht allzu weit von den Markgrafensteinen entfernt steht der «Aussichtsturm Rauener Berge». Erklimmt man die 215 Stufen, geniesst man eine herrliche Rundsicht über den Scharmützelsee. In der Ferne sieht man sogar Berlin. Von der Höhe des Turms aus wird auch klar, was den Reiz dieser brandenburgischen Landschaft ausmacht: Endlose Wälder und dazwischen immer wieder Seen.
Nach drei Tagen in Bad Saarow laufen wir aus und fahren bis zum Langer See die gleiche Strecke zurück. Die Nacht verbringen wir im Oberwasser der Schleuse Kummersdorf. Oberhalb Prieros biegen wir über Backbord in die Teupitzer Gewässer ein.
Auf diesen Gewässern heisst es aufpassen, weil die Stangen, mit welchen die Fischer ihre Stellnetze markieren, manchmal kaum zu sehen sind. Vor allem darf man sich nicht auf die Fahrwassertonnen verlassen, denn die Fischer haben da ihre eigenen Regeln.
Bevor wir in das Fliess vor der Köriser Zugbrücke einbiegen, melden wir vorsichtshalber unsere Position per Funk. Prompt antwortet die «Schenkenland», ein Ausflugsschiff, sie habe soeben die Zugbrücke passiert. Also warten wir vor dem Fliess, bis die Schenkenland passiert hat.
Wenig später kommen die beiden markanten gelben Dalben des Liegeplatzes unserer Berliner Freunde Arthur und Gerlinde in Sicht.
Wir beschreiben in der Bucht einen eleganten Bogen und legen mit einem ebenso eleganten Anlegemanöver (das musste einfach einmal gesagt sein!) an den beiden Dalben an. Arthur hat uns von seinem Logenplatz aus zugeschaut und sein Willkommen ist unübersehbar herzlich.
In Teupitz wird Kinette einige Zeit liegen, während wir uns in der Schweiz unseren Enkeln widmen. Wir wollen ja nicht, dass sie uns nicht mehr erkennen, wenn wir im Winter in die Schweiz zurückkehren!
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Aus dem Logbuch
- Berlin-Tempelhof: Sportboothafen am Teltow-Kanal mit Elektrisch (16 Ampère), Wasser, Toiletten und Duschen (Allerdings nur je eine Herren- und Damentoilette resp. -dusche für den ganzen Hafen). Keine Wasch- und Trocknungsmöglichkeiten. Kostenpflichtig. Direkt am Hafen im ehemaligen Lagergebäudekomplex grosses Einkaufszentrum mit EDEKA, Reformhaus, Media-Markt, Apotheke, Drogerie, Ärztezentrum, Sparkasse etc.. Nähe Bus und U-Bahnstation Ullsteinstrasse. Kann an schönen Sommerwochenenden vom gegenüberliegenden Eventlokal lärmig sein. Sonst ruhig und im üblichen Rahmen sicher (Security). Die beiden Hafenmeister Toni Rüffer und Jens-Uwe Stiebitz sind sehr hilfsbereit.
- Königs-Wusterhausen: Liegemöglichkeiten für Yachten an Fingerpontons bei der Selbstbedienungstankstelle gegenüber dem Liegeplatz der Wasserschutzpolizei ca. 500 m unterhalb der Schleuse Neue Mühle. Grosse Schiffe können an der Spundwand liegen. Keine Einrichtungen. Gratis.
- Bad Saarow, Scharmützelsee: Mehrere Marinas für Yachten. Alle mit Strom, Wasser, Duschen, Toiletten, Waschmöglichkeiten. Kostenpflichtig. Hafenmeister Michael Scholz ist freundlich und hilfsbereit. Gepflegter Kurort mit Therme und Wellness-Einrichtungen. Gute Einkaufsmöglichkeiten (EDEKA, Netto). Bahnverbindung nach Fürstenwalde. Apotheken und verschiedene Banken mit Geldautomaten.
Chris, I am a fellow DBAer and loved your article about Germany. However, I have some questions about the Dutch license. The back side of that license bears reference to Resolution 40 of the UN/ICE Working Party on Inland Water Transport. That is the same authority as for the UK ICC. Why do they accept one and not the other. Please email me with your phone number. Would like to discuss.