Friesland, rund um Leeuwarden
(Zahlreiche Kanäle und Seen rund um Leeuwarden; 70.8 Kilometer; keine Schleusen, 6 bewegliche Brücken)
Eigentlich müssten wir mit zwei verschiedenen Fahrstatistiken beginnen: Eine für MS Kinette und eine für die Motorjacht Foarùt.
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Im Logbuch von MS Kinette findet sich am 15. Juni 2010 der Eintrag: «Ein oder zwei Tropfen Kühlflüssigkeit unter Wasserpumpe DAF». 15 Motorstunden später lesen wir: «Rumpelgeräusch Wasserpumpe DAF. Verliert Kühlwasser. Lager ausgeleiert?» Verfolgen wir die Geschichte weiter im Logbuch, so erfahren wir am gleichen Tag: «Ankunft Werft Sytze Heegstra in Warten. Ausbau Wasserpumpe. Beide Kugellager defekt.» Es handelt sich um die Pumpe des internen Kühlkreislaufes. Das ist schon beinahe logisch, denn für den externen Kühlkreislauf hätten wir eine Reservepumpe…
Die schlechte Nachricht ist, dass es rund 10 Tage dauert, bis eine neue Wasserpumpe geliefert werden kann oder bis die defekte Pumpe neu aufgebaut ist – je nachdem, was schneller geht. Die gute Nachricht ist, dass uns Sytze Heegstra, der Inhaber der Werft, die wir angelaufen haben, in dieser Zeit seine Motoryacht zu einem Freundschaftspreis vermietet, als «Ersatzauto» sozusagen.
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Die «Foarùt» – das ist friesisch und heisst «Voraus» – bietet genug Platz für uns sowie unsere Tochter und ihren Partner, die ihre Ferien bei uns verbringen (Murphy lässt grüssen, wenn ausgerechnet jetzt die Wasserpumpe aussteigt!). Zudem hat die «Foarùt» eine Eigenschaft, die uns völlig neue Perspektiven eröffnet: Sie ist nur 2.50 m hoch und das erschliesst uns wenig befahrene, kleine Wasserstrassen mit festen, nicht sehr hohen Brücken, unter denen wir gerade noch so durchschlüpfen.
Wir merken schnell, dass es etwas völlig anderes ist, ob man ein 22.5 Meter langes Schiff von 48 Tonnen oder eine Jacht von 11.5 Meter und 10 Tonnen fährt. Das Fahrverhalten ist ganz anders und wir sind froh, dass uns niemand bei unseren ersten Anlegemanövern zuschaut. Es ist etwa so, wie wenn man von einem Sattelschlepper auf einen Smart umsteigen würde.
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Aber schon bald fühlen wir uns wohl auf der wendigen und, dank ihres nigelnagelneuen 100 PS-Iveco-Motors, auch schnellen Jacht. Wir konsultieren unsere Fahrkarten und entschliessen uns, über das Lauwersmeer nach Lauwersoog am Wattenmeer zu fahren.
Von Lauwersoog aus fahren wir mit der Fähre nach Schiermonnikoog, der kleinsten der fünf niederländischen Wattenmeerinseln. Sie ist gerade so gross oder so klein, dass man sie mit dem Velo in einem Tag erkunden kann. Während der Überfahrt kann man auf den Sandbänken im Wattenmeer Robben beobachten, die sich auch von den Fähren nicht stören lassen.
Die Insel, welche ursprünglich nur Oog hiess, verdankt ihren Namen den Schiere Monniken, den grauen Mönchen. So wurden die Mönche eines bei Dokkum gelegenen Zisterzienserklosters genannt.
Schiermonnikoog lässt sich gut per Velo erkunden. In einem Tag hat man die ganze Insel befahren. Zudem ist es wegen eines ausgedehnten Vogelreservates auch ein Mekka für Ornithologen.
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Wir haben ja bereits erwähnt, dass wir in der Nähe von Leeuwarden, im Gebiet der «Âlde Feanen», einen festen Sommerliegeplatz gemietet haben.
Das ist für uns in mehrfacher Hinsicht eine gute Lösung. Wir können von hier aus Tagesausflüge mit dem Schiff machen und abends an unseren Liegeplatz zurückkehren, ohne in der Hochsaison im Gewimmel der vielen kleinen Jachten und Mietboote jeden Abend nach einem Liegeplatz suchen zu müssen.
Das Fahrgebiet rund um unseren Sommerliegeplatz erlaubt uns ausgedehnte Fahrten, ohne dass wir je eine Hebebrücke oder Schleuse passieren müssten – wir sind also unabhängig von deren Betriebszeiten.
Überall hat die Marrekrite-Organisation in freier Natur idyllische Liegeplätze eingerichtet (siehe Bericht 64).
Hier kann man bei heissem Wetter anlegen, schwimmen, lunchen und dann Siesta halten. Weil Sie uns die hiesige Wassertemperatur ja doch nicht glauben würden, haben wir sie dokumentiert.
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In der Nähe unseres Liegeplatzes ist eine Segelschule. Für einen richtigen Holländer gehört es zur Allgemeinbildung, dass er segeln kann.
Für alle Altersstufen gibt es hier Segelunterricht auf den entsprechenden Klassebooten. Bei Christian weckt das Jugenderinnerungen, denn der holländische Teil seiner Familie sorgte vor fünfzig Jahren dafür, dass ihm während drei Sommern zumindest in dieser Hinsicht die angemessene Allgemeinbildung zuteil wurde.
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An unserem Sommerliegeplatz hat es zwar Strom und Wasser, aber keine Einkaufsmöglichkeiten. Dafür müssen wir mit dem Fahrrad entweder nach Grou oder nach Drachten fahren. Beide Städtchen sind nur rund 8 km entfernt.
Besonders hübsch ist der Weg nach Grou, weil wir dazu drei Fähren benützen müssen, zwei Velo- und eine Autofähre.
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Unser Sommerbericht wäre unvollständig, würden wir nicht noch das Glacé-Schiff erwähnen. Es ist ausgestattet mit einem Kühlschrank und versehen mit dicken Fendern. Auf Zuruf hin legt eine adrette junge Dame längsseits an und versorgt uns mit einem Magnum-Eis. Es kommen geradezu italienische Strandgefühle auf!
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Das Ereignis dieses Sommers sind natürlich die Fussball-Weltmeisterschaften. Die Niederländer, ohnehin enthusiastische, ausgelassene und festfreudige Fans, sind auf dem Weg ihrer Nationalelf bis ins Final immer enthusiastischer, ausgelassener und festfreudiger geworden. Die Königsfamilie stammt aus dem Geschlecht «von Oranje und Nassau». «Oranje» geht auf die französische Stadt Orange zurück, weshalb orange die Farbe des Königshauses ist. Ihre Nationalfarben Rot-Weiss-Blau müssen die Niederländer mit den Franzosen teilen und überhaupt ist orange als Farbe viel fröhlicher. So trägt «man» denn orange, auch wenn «man» nicht Monarchist ist. Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, es ist einfach alles orange.
Das Finale haben wir in einer friesischen Beiz am Grossbildschirm verfolgt. Aber den holländischen Holzhackerfussball haben wir nicht so goutiert. Moralisch ist ja doch die Schweiz Weltmeister, denn sie hat Spanien 1:0 besiegt.
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Eine urfriesische Tradition ist das «Skûtsjesilen», zu Deutsch Schutensegeln. Ein Skûtsje ist eine in Friesland gebaute Tjalk aus Holz oder Stahl, bestimmt für den Frachttransport.
Je nach Saison transportierten die Skûtsjes Dünger, Torf, Kartoffeln oder andere Massengüter. Der Schiffer wohnte mit seiner Familie an Bord. Diese Segelschiffe wurden vom 18. Jahrhundert bis etwa 1930 gebaut. Ihre Länge betrug zwischen 12 und 20 Meter, die Breite zwischen 3.5 und maximal 4 Meter, abhängig vom Fahrgebiet. Mit dem Aufkommen motorisierter Schiffe waren besegelte Frachtschiffe nicht mehr konkurrenzfähig.
Nach einem Zwischenhoch während des Zweiten Weltkrieges verschwanden die Skûtsjes aus dem Berufsverkehr. Viele Skûtsjes wurden in Wohnschiffe umgebaut oder landeten auf dem Schrottplatz.
Neues Leben gab es für die Skûtsjes, als die Tradition des Regattasegelns mit Frachtschiffen wieder aufgenommen wurde. Während die ursprünglichen Skûtsjes auf einem Kompromiss zwischen Segeleigenschaften und Ladevermögen beruhten, sind die Regatta-Skûtsjes nicht motorisiert und ausschliesslich auf Schnelligkeit ausgelegt.
Wir haben während einer der Regatten einen Logenplatz, denn die Regattastrecke führt an unserem Liegeplatz vorbei. Das verhilft uns zu einigen hautnahen Fotos.
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Noch spektakulärer als der Wettkampf der bulligen Segelschiffe ist das Drumherum. Die hartgesottensten Fans kommen natürlich auf dem Wasserweg und je verrückter das Gefährt ist, desto besser. Die sonst ziemlich gestrenge Wasserschutzpolizei drückt sämtliche vorhandenen Augen zu, denn hier werden alle Vorschriften lustvoll mit Füssen getreten.
Hallo aus Dortmund,
keine Ahnung warum ich eure Seite nicht früher gefunden habe. Den Link hat mir ein niederländischer Freund gemailt und ich habe unterwegs (via Stick) angefangen zu lesen und es dann auf die Zeit zu Hause verschoben – TOLL!
Zum Teil habe ich dieselben Reviere befahren, in Sachen Frankreich werde ich viel von euch lernen, das möchte ich in den nächsten Jahren befahren. Nur auf 10m (www.tremonia-2.de) aber dafür auch nur auf 90cm Tiefgang ;-)))
Ich denke, ihr werdet mir die nächsten Abende verkürzen und meinen „Schmerz“ über die Wochen an Land etwas lindern,
viele liebe Grüße
Karl-Heinz Czierpka