Bericht 42, August 2008

Migennes – Ravières

(Canal de Bourgogne; 83 km, 37 Schleusen)

Reiseroute Migennes – Ravières

Reiseroute Migennes – Ravières

Das Hafenbecken von Migennes mit der «Connoisseur»-Basis

Das Hafenbecken von Migennes mit der «Connoisseur»-Basis

Wir bleiben zwei Wochen in Migennes am Quai, profitieren vom trockenen Wetter und benützen den Aufenthalt für Mal- und Schweissarbeiten. Wir wollten schon lange den Rumpf bei den stark beanspruchten Bugpollern verstärken lassen und hier bietet sich dank der nahe gelegenen Schiffswerft von Joe Parfitt Gelegenheit dazu.

Eine Verstärkung wird aufgeschweisst

Eine Verstärkung wird aufgeschweisst

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Nach den Schweissarbeiten streichen wir nicht nur die neu aufgeschweissten Stahlplatten, sondern auch die Rumpfseiten, die Reling, die Handläufe und die Wände des «Hauses». Ferner tanken wir Diesel, ersetzen die leeren Gasflaschen und füllen unsere Lebensmittelvorräte auf, denn – so liest man in allen Berichten über den Canal de Bourgogne – die Einkaufsmöglichkeiten auf der vor uns liegenden Route seien beschränkt. Später wird sich herausstellen, dass dies so nicht zutrifft.

Zuerst wird die alte Farbe weggeschliffen...

Zuerst wird die alte Farbe weggeschliffen…

...und dann das «Haus» gestrichen (natürlich nicht alles mit dem Pinsel!)

…und dann das «Haus» gestrichen (natürlich nicht alles mit dem Pinsel!)

Es ist fast ein bisschen unheimlich: Seit Kinette in neuem Glanz erstrahlt, erhalten wir laufend Komplimente für unsere «beautiful barge» und «cette merveilleuse péniche». So hat sich der Einsatz doch wenigstens gelohnt! Wir können nur wieder einmal die holländische Weisheit zitieren: «Koop een boot en werk je dood!» («Chauf es Boot und chrampf di ztod!»).

Kinette in neuem Glanz

Kinette in neuem Glanz

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Als wir letztes Jahr zwei Tage in Migennes lagen, fiel uns im Hafenbecken ein seltsames Paar auf: Ein Schwan und eine Gans. Offenbar ist es eine stabile Beziehung, denn ein Jahr später sind die beiden ungleichen Vögel immer noch ein trautes Paar.

Ein ungleiches, aber treues Paar

Ein ungleiches, aber treues Paar

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Der Canal de Bourgogne ist von beiden Seiten eine Art riesige Wassertreppe, die zu einer Wasserscheide hinaufführt. Von der Yonne aus sind es nicht weniger als 113 Treppenstufen – sprich Schleusen –, mit welchen man rund 300 m in die Höhe steigt. Von der Wasserscheide aus, die mit einem Tunnel von 3.3 km Länge unterquert wird, steigt man mit 76 Schleusen 200 m ins Saônetal herab. Der Kanal führt von Migennes an der Yonne über eine Distanz von 242 km nach St-Jean-de-Losne an der Saône.

Speichenrad zum Öffnen eines Schleusentores

Speichenrad zum Öffnen eines Schleusentores

Der Canal de Bourgogne ist ein alter Kanal: Bereits 1660 wurde über eine Verbindung zwischen der Yonne (Seinebecken) und der Saône (Rhonetal) nachgedacht. Rund ein Jahrhundert später, nämlich 1774, wurde mit dem Bau begonnen, dieser verzögerte sich aber mit den Wirren der Revolution. Der Kanal sollte dazu dienen, den Bedarf von Paris an Holz und Getreide zu decken. Das erste Teilstück von der Saône bis Dijon wurde 1808 eröffnet, während die durchgehende Verbindung zur Yonne um 1830 fertig gestellt wurde. Wer den Kanal in seiner ganzen Länge von Migennes nach St-Jean-de-Losne befährt, verlässt ihn mit gemischten Gefühlen.

Das verkommene Schiff der Kanalbehörden hat Symbolwert

Das verkommene Schiff der Kanalbehörden hat Symbolwert

Auf der einen Seite durchquert der Canal de Bourgogne, namentlich ab Venarey-les-Laumes bis zur Scheitelhaltung und dann im Abstieg durch das Tal der Ouche bis vor Dijon eine landschaftlich unglaublich schöne Gegend mit zahllosen Sehenswürdigkeiten. Auf der anderen Seite kommt man sich vor wie beim Besuch bei einem sterbenden Patienten. Mit wenigen Ausnahmen sind die Anlegestellen zumindest auf der Yonne-Seite lieblos und ungepflegt, der Kanal selbst müsste dringend unterhalten werden. Sogar Hotelschiffe meiden gewisse Teilstrecken. Offensichtlich ist diese Meisterleistung der Wasserbaukunst dem Verfall preisgegeben, weil das Geld fehlt und weil die Voies Navigables de France (VNF) und die Regionalbehörden die Kompetenzen hin- und herschieben.

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Wer die französischen Wasserstrassen benützt, kommt früher oder später mit den Fischern in Kontakt, denn die Franzosen sind geradezu leidenschaftliche Fischer. Wir können manchmal nur staunen, wieviel Geld biedere Hobbyfischer in ihre Ausrüstung investieren.

Ausrüstung ist alles

Ausrüstung ist alles

Anfänglich fragten wir uns, ob denn in den Kanälen irgendetwas herumschwimme, das die Mühe und den Aufwand lohne. Abgesehen davon, dass auch hier der Weg das Ziel ist und Fischen unzweifelhaft einen hohen meditativen Wert hat, ziehen Glückspilze mitunter einen Prachtsbrocken heraus, wägen ihn, machen eine Erinnerungsfoto und lassen ihn dann sorgfältig wieder ins Wasser zurückgleiten.

Matthieu Vanderkerckhoven mit einem Karpfen von 11 Kilogramm

Matthieu Vanderkerckhoven mit einem Karpfen von 11 Kilogramm

Die Koexistenz zwischen Schiffern und Fischern ist nicht ganz einfach. Es gibt Fischer, welche die Kanäle als natürliche Fischreservate betrachten, in welchen Schiffe aller Art unerwünscht sind und dies auch lautstark zu verstehen geben. Und es gibt Freizeitkapitäne, die sich einen Spass daraus machen, mit unverminderter Geschwindigkeit möglichst nahe am Ufer an den Fischern vorbeizufahren.

Es geht auch anders. Wir hatten die Gelegenheit, freundliches Miteinander kurz vor Brienon zu testen, als wir auf eine ganze Wand von Fischerruten auffuhren. Wir wichen demonstrativ aus und nahmen die Geschwindigkeit zurück.

Wettfischen am Canal de Bourgogne

Wettfischen am Canal de Bourgogne

Fischer wissen Rücksichtnahme zu schätzen

Fischer wissen Rücksichtnahme zu schätzen

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Früher waren die Schleusenwärter durchwegs Frauen, während deren Ehemänner für den Unterhalt von Schleusen und Kanal zuständig waren. Wenn der Sohn einer Schleusenwärterin heiratete, war seine Frau automatisch die neue Schleusenwärterin. Heute trifft man schon noch Schleusenwärterinnen, aber in der Hochsaison sind es meist «vacataires», Studentinnen als Ferienaushilfen. Sie sind zwar beinahe durchwegs freundlich und auch angenehm anzuschauen, aber sie haben uns mit ihrer Unerfahrenheit auch schon in Schwierigkeiten gebracht.

Eine Aushilfs-Schleusenwärterin...

Eine Aushilfs-Schleusenwärterin…

...bringt uns in Schräglage

…bringt uns in Schräglage

Wir haben mehr als einmal erlebt, dass Aushilfen nach einer Schleusung vergassen, die Unterwasserfenster in den Schleusentoren wieder zu schliessen. Das hat dann zur Folge, dass Wasser aus einem Kanalabschnitt wegfliesst, ohne dass oben Wasser zugeführt wird. Im ohnehin untiefen Canal de Bourgogne sitzt man dann bald einmal auf dem Trockenen.

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Aber zurück zum Kanal. Brienon, unsere erste Station, ist für sein rundes Waschhaus bekannt. Dort wuschen die Frauen gemeinsam – zu einer Zeit, als es weder fliessendes Wasser in den Häusern geschweige denn Waschmaschinen gab. Selbstverständlich wurden dabei nur Neuigkeiten ausgetauscht und überhaupt kein Klatsch. Waschhäuser sind noch heute in vielen französischen Dörfern erhalten, aber das runde Waschhaus von Brienon mit seinem glasklaren Quellwasser ist unter dem Gesichtspunkt der dörflichen Kommunikation besonders gelungen.

Das runde Waschhaus von Brienon

Das runde Waschhaus von Brienon

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Wir verlassen Brienon am späten Vormittag und passieren grad vor der Mittagspause die Schleuse von Saint-Florentin. Unmittelbar nach der Schleuse überqueren wir das Flüsschen Armance auf einer hübschen Kanalbrücke, welche vor über 200 Jahren gebaut wurde.

Kanalbrücke (Ende 18. Jhdt.) über die Armance bei St-Florentin

Kanalbrücke (Ende 18. Jhdt.) über die Armance bei St-Florentin

Die damaligen Brückenbauer waren nicht nur grossartige Ingenieure, die – nach heutigen Massstäben – für die Ewigkeit bauten, sie waren auch verspielte Ästheten. Davon zeugen die Verzierungen an den Drainagen der Brücke.

Kunst am Bau vor 200 Jahren

Kunst am Bau vor 200 Jahren

In Saint-Florentin legen wir am Quai vor der Mietbootbasis Rive de France an. «Drei Stunden Fahren und dann drei Tage Aufenthalt» scheint unser burgundischer Rhythmus zu werden. Irgendwie macht es ja auch wenig Sinn, im Eilschiffstempo durch diese kulturell, landschaftlich und gastronomisch einzigartige Region zu dampfen. Man würde so viel verpassen an grossartigen Kulturdenkmälern, versteckten Schönheiten, stillen Winkeln und verträumten Dörfern. Wir sind ja in der privilegierten Situation, dass wir uns bis Ende September Zeit nehmen können für den Canal de Bourgogne und jetzt haben wir erst Mitte August.

Saint-Florentin

Saint-Florentin

Saint-Florentin wird in einer unserer Reiseunterlagen als «fairly uninteresting» bezeichnet, als ziemlich uninteressant also. Grund genug, sich das Städtchen näher anzuschauen. Wie wir die imposante Renaissance-Kirche besichtigen wollen, ist sie verschlossen und ein Schildchen weist darauf hin, dass man den Schlüssel im Office de Tourisme holen könne. Das macht uns neugierig und wenig später stehen wir staunend vor hervorragend restaurierten Kirchenfenstern aus dem 16. Jahrhundert.

Kirchenfenster aus dem 16. Jahrhundert in St-Florentin

Kirchenfenster aus dem 16. Jahrhundert in St-Florentin

Kirchenfenster waren die Comics des Mittelalters und sie erzählen grossartige Geschichten: Vom heiligen Nikolaus, der überall Gutes tat, sogar Schiffbrüchige rettete und es auf diese Weise bis zum Schutzpatron der Seeleute schaffte. Und sie erzählen auch grässliche Geschichten: Vom heiligen Florentinus, dem vom Vandalenkönig Crocus wegen seines Glaubens die Zähne eingeschlagen, die Zunge herausgeschnitten und der Kopf abgehauen wurde – liebevoll in Glasmalerei dargestellt. Aber schon ein Kirchenfenster später wird Crocus blind: Strafe muss sein. Er bekehrt sich stante pede zum christlichen Glauben und schwupps kann er auf dem nächsten Fenster wieder sehen. Florentinus allerdings ist definitiv tot und muss sich mit der postmortalen Heiligkeit begnügen. Das alles in herrlich naiven Bildern und in leuchtenden Farben. Man kann nur staunend davorstehen.

Die Dächer von Saint-Florentin

Die Dächer von Saint-Florentin

Die Aufenthalte benützen wir für ausgiebige Erkundungsexpeditionen mit dem Velo sowie für Ausstellungs- und Museumsbesuche.

Bilderkauf beim Aquarellisten Bernard Voisin

Bilderkauf beim Aquarellisten Bernard Voisin

Im Maison de la Patrimoine in St-Florentin stellen verschiedene Künstler Bilder zum Thema Burgund aus. Uns sticht ein Aquarell mit burgundischen Motiven ins Auge. und wir stellen uns vor, wie es uns an die glücklichen Tage im Burgund erinnern wird, wenn wir dereinst wieder in Belgien und Holland fahren, Das Bild ist noch nicht verkauft und wir dürfen es nach dem Erwerb gleich abhängen.

Unsere Neuerwerbung

Unsere Neuerwerbung

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Zu Tonnerre, unserer nächsten Station, gibt es zwei Meinungen in der «barging community». Die Einen betrachten es als heruntergekommenes Dorf und empfehlen einen Aufenthalt nur, wenn man die Fosse Dionne, eine Quelle mitten im Städtchen sowie das Hôtel Dieu, ein 1293 von Margarete von Burgund gegründetes Hospiz besuchen will.

Die berühmte Grablegung im Hôtel Dieu in Tonnerre

Die berühmte Grablegung im Hôtel Dieu in Tonnerre

Die Andern erkennen einen Aufschwung und Bemühungen zur Verschönerung des Stadtbildes und halten Tonnerre als Städtchen in jedem Fall für besuchswürdig. Wir gehören, um es vorweg zu nehmen, zu den Einen und definitiv nicht zu den Andern. Aber das Hôtel Dieu zählt wegen der darin aufgestellten Grablegung zu den Glanzpunkten burgundischer Kunst.

Die Fosse Dionne in Tonnerre

Die Fosse Dionne in Tonnerre

Die Fosse Dionne ist mit Sicherheit sehenswert, wobei Christian als ehemaliger Höhlentaucher natürlich hochgradig befangen ist. Im glasklaren Wasser des Quelltopfs ist der Höhleneingang sehr gut zu erkennen und Christian wird richtiggehend kribbelig. Die bekannten französischen Höhlentaucher Éric und Francis Le Guen haben diese Höhle auf einer Strecke von 360 m und bis in eine Tiefe von 60 m erforscht. Wegen einer Engstelle, sehr starker Gegenströmung und der zunehmenden Tiefe mussten sie umkehren. Seit dem tödlichen Unfall eines unerfahrenen und schlecht ausgerüsteten Tauchers darf die Höhle nicht mehr betaucht werden.

Tonnerre

Tonnerre

Das Hôtel Dieu sollte man wegen seiner imposanten Grösse, seines Alters und der erwähnten Grablegung besuchen. Allerdings ist das darin untergebrachte Museum didaktisch ebenfalls im 13. Jahrhundert stehen geblieben. Sonst aber ist Tonnerre trostlos. Wir haben schon lange nicht mehr so viele grossartige alte Häuser gesehen, die unaufhaltsam verfallen.

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In Tonnerre kommen Hans und Ursula Widmer an Bord, langjährige Freunde aus der Schweiz.

Hans und Ursula Widmer

Hans und Ursula Widmer

Sie fahren einige Tage mit und bewähren sich tagsüber beim Schleusendrehen und abends beim Jassen. Wir haben es jedenfalls sehr lustig miteinander!

Beim «Kir breton» in Tanlay

Beim «Kir breton» in Tanlay

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Sehenswert ist in Tanlay das noch heute vom Duc de la Chauvinière und seiner Familie bewohnte Château Tanlay, das zum Teil besichtigt werden kann. Das Schloss wurde um 1550 im Stil der französischen Renaissance erbaut und gilt als eine der schönsten Anlagen jener Zeit.

Château Tanlay

Château Tanlay

Wir mögen Familie Herzog ihr Schloss von Herzen gönnen. «Lieber sie als wir» sagen wir uns, denn der Unterhalt dieses Familienhöcklis verschlingt mit Sicherheit Unsummen und es ist auch für den baufachlichen Laien erkennbar, dass sich hier ziemlich viel an fälligem Unterhalt aufgestaut hat. Immerhin ist das kleine Dörfchen Tanlay, im Gegensatz zu Tonnerre, sehr gepflegt.

Hausfassade in Tanlay

Hausfassade in Tanlay

Der Hafenquai ist von einem Hotelboot und ein paar Yachten belegt. Gegenüber liegt die «Golden Hinde», die zu einem Hotelschiff ausgebaut wird. Wir dürfen längsseits liegen, sodass das Liegeplatzproblem gelöst ist.

Längsseits der «Golden Hinde»

Längsseits der «Golden Hinde»

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Wenn wir schon beim Thema Hotelschiff sind: Sie sind ein Segen und eine Plage. Ein Segen, weil sie dafür sorgen, dass der Canal de Bourgogne durchgehend befahren wird und eine Plage, weil sie erstens sehr langsam fahren – mit 4 bis 5 Stundenkilometern – und weil sie zweitens bei Schleusen und an vielen Liegeplätzen Vorrang haben. Mit 38.5 Metern Länge und 5.1 Metern Breite sind sie durchaus formatfüllend und ein Kreuzen ist nicht überall möglich. Aber die Hotelschiffkapitäne sind durchwegs freundliche und rücksichtsvolle Profis und wenn sie keine Gäste an Bord haben, lassen sie uns auch längsseits liegen, wenn wir sonst keinen Liegeplatz finden.

Hinter einer unübersichtlichen Stelle...

Hinter einer unübersichtlichen Stelle…

...kann plötzlich ein Hotelschiff auftauchen...

…kann plötzlich ein Hotelschiff auftauchen…

...und zwar formatfüllend!

…und zwar formatfüllend!

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Noch einen Stern mehr in unserer persönlichen Wertung als Tanlay erhält Ancy-le-Franc. Erstens – aber dafür vermag ja das Dörfchen nichts – ist der Quai leer (bis auf ein oberhalb des Quais am Grasufer vertäutes Schiff, auf welches wir noch zurückkommen) und zweitens ist das Château von Ancy-le-Franc nicht nur hervorragend restauriert, sondern es sind auch wesentlich mehr und interessantere Räume zur Besichtigung freigegeben als in Tanlay. Das mag damit zusammenhängen, dass das Schloss weder Fürsts noch Herzogs gehört, sondern einem jungen amerikanischen Milliarden-Erben, der sich hier in verdankenswerter Weise als Mäzen betätigt.

Château Ancy-le-Franc

Château Ancy-le-Franc

Das Schloss wurde 1546 für Antoine de Clermont, den Schwager der schönen Diane de Poitiers, nach den Plänen des italienischen Architekten Serlio errichtet. 1684 erwarb Louvois, einer der Minister Ludwigs XIV., das Schloss, welches bis Mitte des 19. Jahrhunderts im Besitz seiner Familie blieb. Hernach wurde es von den Herren von Clermont-Tonnerre gekauft und beim Tod des letzten Herzogs dieses Namens erbten es dessen Neffen, die es vor einigen Jahren dem besagten Amerikaner verkauften. Sic transit gloria mundi – so vergeht der Ruhm der Welt!

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In Ancy also ist am Grasufer ein Schiff vertäut, die «Paisible». Wir leben jetzt das vierte Jahr auf dem Wasser und haben wohl oder übel einen recht guten Blick für Schiffe entwickelt. Alte Schiffe sind immer unverwechselbare Einzelstücke, keines ist wie das andere. Deshalb wissen wir auch sofort, dass wir dieses Schiff kennen, obwohl es den Namen, die Farbe und einen Teil seines Aussehens verändert hat. Es muss die gute alte «Award» sein.

Die «Paisible» war einmal...

Die «Paisible» war einmal…

...die «Award»

…die «Award»

Wir hatten dieses Schiff, eine Katwijker aus dem Jahre 1927, zum ersten Mal 2005 auf der Maas und dann vor ziemlich genau zwei Jahren, im August 2006, auf der Saône gesehen (siehe Berichte Nr. 3 und Nr. 19). Wir kommen mit dem neuen Besitzer, einem Franzosen, ins Gespräch und er staunt nicht schlecht, wie wir ihn fragen, ob immer noch dieser alte MWM-Diesel im Schiff sei. Er habe, so erzählt er uns, das Schiff vor anderthalb Jahren in St-Jean-de-Losne gekauft und sei seither am Renovieren und Umbauen. Es scheint so, als habe dieses Schiff eine geheime Anziehungskraft auf alleinstehende Männer. So wie Rob, der vormalige Besitzer, fährt nämlich auch der neue Eigner allein.

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Wir haben den beklagenswerten Zustand des Kanals schon angesprochen. Ab Ancy-le-Franc wird es immer schlimmer, wir wähnen uns auf einer Fahrt ins Grüne.

Eine Fahrt im Grünen

Eine Fahrt im Grünen

Wir können von Glück sprechen, dass die Frischwasserkühlung des Schiffsdiesels von ihrer technischen Konzeption her unempfindlich ist gegen diese Verkrautung. Aber die Schiffsschraube muss gezwungenermassen die Arbeit eines Rasenmähers verrichten und am Ende dieses Fahrtages wird Christian in Ravières ins Wasser steigen und die Schiffsschraube vom darum herumgewickelten Wassergras befreien müssen.

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Auf diesem Teilstück begleiten uns André und Agnes Dubs aus Regensberg, die für einige Tage mit ihrem Wohnmobil im Burgund Ferien machen. André und Christian verbindet eine gemeinsame Leidenschaft, das Motorrad, und von daher kennen sie sich auch.

André und Agnes Dubs

André und Agnes Dubs

Das erwähnte Wohnmobil verhilft Christian, wenn auch in bescheidenem Ausmass, aber immerhin, zu Ruhm und Ehre als Elektriker. André stellt nämlich eines Morgens fest, dass seine 12-Volt-Bordanlage tot ist. Das hat die unangenehme Folge, dass er die elektrisch ein- und ausfahrbare Treppe nicht mehr einfahren kann und mit ausgefahrener Treppe kann man, was leicht einzusehen ist, nicht fahren.

Christian als Pannenhelfer

Christian als Pannenhelfer

Nun ist ja Christian, unter uns gesagt, ein absoluter Laie, was Bordelektrik von Wohnmobilen betrifft. Zuerst tut er einmal das, was ein richtiger Elektriker tun würde und was auch sehr professionell aussieht, er misst die Anlage mit dem Messgerät aus. Resultat: Erstens fliessen von der Landsteckdose bis zum Wohnmobil 220 Volt. Zweitens ist die Bordbatterie wider Erwarten platschvoll. Während Christian noch am Messen ist, erzählt Agnes, sie habe den Fön gebraucht, aber der habe plötzlich abgestellt.

Jetzt beginnt es selbst dem blutigsten Laien zu dämmern und so fragt Christian nach den Sicherungen. Nein nein, die habe er überprüft, die seien alle in Ordnung, versichert André. Er, Christian, könne das aber ruhig zur Sicherheit alles noch einmal überprüfen. Weil Vertrauen gut, Kontrolle aber besser ist (Lenin), überprüft Christian noch einmal alle Sicherungen. Wir alle wissen es: Auch ein blindes Huhn findet einmal ein Körnchen und zwar hier in der Gestalt eines auf «grün» stehenden 220-Volt-Sicherungsschalters. Diesen habe er bereits auf «rot» gestellt und es sei nichts passiert, erläutert André. Deshalb habe er ihn wieder auf «grün» gestellt. In der Politik verhält es sich so, dass weder rot noch grün… – nein, lassen wir das und bleiben wir friedlich.

Falls aber unter unseren (mittlerweile über zweitausend monatlichen) Lesern auch Wohnmobilbesitzer sind, die von dieser Erfahrung profitieren möchten: Erstens heisst «rot» hier «stromführend» und zweitens muss man ein paar Minuten warten, bis das Relais des bordinternen 12-Volt-Ladegeräts anzieht…

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Ravières sur Armançon

Ravières sur Armançon

Ravières verfügt über einen langen Quai, Wasser und Strom sind gratis, der Liegeplatz ist ruhig und friedlich, im verschlafenen Dorf gibt es alle notwendigen Einkaufsmöglichkeiten und drei Gehminuten vom Quai entfernt ist das Restaurant Tante Lisette. Von Ravières aus bieten sich zudem in jede Richtung Velotouren auf einsamen Strassen an, sodass wir beschliessen, hier mindestens eine Woche liegen zu bleiben. Auf Tante Lisette und die Velotouren werden wir im nächsten Bericht näher eingehen.

Aus dem Logbuch

  • Migennes. Quai oberhalb Schleuse Laroche (Canal de Bourgogne). Kostenpflichtig. Diesel, Strom und Wasser von der Mietbootbasis Connoisseur. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Atac mit Gasflaschendepot 300 m. Nicht besonders ruhig, weil direkt gegenüber Bahnhof, Tag und Nacht Güterzüge.
  • Brienon. Quai unterhalb Brücke. Gratis. Jetons à € 2.00 für Strom (4 h) oder Wasser (500 l).
  • St-Florentin. Quai bei Mietbootbasis Rive de France. Kostenpflichtig. Strom und Wasser. Markt am Montag. Gute Einkaufsmöglichkeiten, Intermarché in Velodistanz. Renaissance-Kirche mit kürzlich aufgefrischten, sehenswerten Fenstern aus dem 16. Jahrhundert.
  • Flogny. 50 Meter langer Quai unterhalb Brücke. Achtung, an den beiden Enden untief. Gratis. Wasser, kein Strom. Sehr ruhig. Dorf mit den üblichen Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe.
  • Schleuse 99 Charrey: Schleusenwärter verkauft günstigen Chablis sowie eigenen Honig.
  • Tonnerre. 120 Meter langer Quai am linken Ufer des Bassins zwischen den Schleusen 95 und 96. Gratis. Der unterste Teil ist für Hotelschiffe reserviert. Sonst weder Ringe noch Poller. Strom und Wasser. Markt am Samstag. Leclerc gegenüber. Nur eine einzige Bäckerei(!). Sehenswürdigkeiten Fosse Dionne und Hôtel Dieu (1293 von Margarete von Burgund gegründetes Hospiz).
  • Tanlay. 80 m langer Quai oberhalb Schleuse. Ringe. Gratis. Strom und Wasser. Gepflegte und sehr günstige Crèperie du Port. Einkaufsmöglichkeiten im Dorf. Sehenswürdigkeiten Château de Tanlay und Abbey de Quincy.
  • Ancy-le-Franc. 45 m langer Quai am rechten Ufer. Hotelschiffe haben Priorität. Ringe. Gratis. Strom und Wasser. Im Notfall Pneus herunterhängen, Häringe einschlagen und oberhalb Quai am Grasufer anlegen (Wir lagen zwei Tage lang so). Gute Einkaufsmöglichkeiten. Sehenswürdigkeit Château d’Ancy.
  • Ravières. 150 m langer Quai am rechten Ufer. Hotelschiffe haben Priorität. Poller und Ringe. Gratis. Strom, Wasser, Toiletten, warme Dusche. Markt am Dienstag. Die notwendigsten Geschäfte. Von den Lebensmittelgeschäften nur «Le petit marché Ravièrois» empfehlenswert. Nähe Quai Restaurant «Tante Lisette», sehr gut und sehr preiswert.

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