Paray-le-Monial – Briare
(Canal du Centre; Canal latéral à la Loire; 208 km, 40 Schleusen)
Nachdem die DBA-Flotte die Anker in Paray-le-Monial gelichtet hat, bleiben wir noch einige Tage im Hafen liegen. Französische Freunde, die wir hier gewonnen haben, wollen uns die Gegend zeigen, von der sie in den höchsten Tönen schwärmen. Das Brionnais, wie diese Gegend im äussersten Süden des Burgund heisst, habe, so erzählen sie uns, weil weit entfernt von den grossen Städten und abseits der Hauptverkehrsachsen gelegen, seine im Laufe der Generationen angesammelten Kulturschätze bewahren können.
Mit rund dreissig ganz oder teilweise romanischen Kirchen und Kapellen zählt das Brionnais in der Tat zu den an romanischem Kunstschaffen reichsten Kulturlandschaften Mitteleuropas.
«Die Landschaft zeigen» bedeutet in unserem Fall eine vierstündige Wanderung auf Feldwegen und verträumten Strässchen.
Manchmal bedauern wir, nicht Landschaftsmaler der alten Schule zu sein, so sehr springen uns die Bilder an, die man hier malen möchte, wenn man nur könnte.
Hin und wieder trifft man auf einen Kastanienbaum in voller Blüte, offenbar ist das Klima sehr mild.
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Die Schönheit dieser Landschaft veranlasst viele Ausländer, sich hier niederzulassen. So hat in vielen kleinen Weilern ein beachtlicher Teil der Einwohner einen Migrationshintergrund, wie man es in der Schweiz wohl politisch korrekt ausdrücken würde.
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Im kleinen Weiler Saint-Julien-de-Civry zeigt man uns einen Friedhof, in dessen östlicher Ecke uns eine Reihe von auffallend schmucklosen Gräbern mit einfachen Holzkreuzen auffällt. Es sind die Gräber der sogenannten «Blancs», einer noch heute aktiven religiösen Minderheit von Katholiken, welche das 1801 geschlossene Konkordat zwischen Napoleon, damals Erster Konsul, und Papst Pius VII. ablehnt, also auch den Papst nicht als religiöses Oberhaupt anerkennt und seit jener Zeit ihre strengen Riten bewahrt hat.
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Ursprünglich hatten wir ja im Sinn gehabt, nach dem DBA-Treffen den Canal du Centre zu befahren, die Saône hinauf, via Canal de Bourgogne in die Yonne, dann die Seine hinunter und via die Kanäle du Loing, de Briare und latéral à la Loire im Herbst nach Roanne zurück zu fahren. Wegen einer kleinen Reparatur müssen wir jedoch in die Werft von Joe Parfitte in Laroche-Migennes an der Verzweigung des Canal de Bourgogne und der Yonne. Als Werfttermin blieb nur anfangs August übrig und so drehen wir halt die ganze Planung um und befahren die vorgesehene Route im Uhrzeigersinn. Dann sollten wir nach unseren Berechnungen anfangs August – mit einer Sicherheitsreserve – in der Werft sein.
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Die Loire selbst ist nicht schiffbar. Ihr entlang führt der Loire-Seitenkanal, der Canal latéral à la Loire. Auf diesem fahren wir von Paray-le-Monial aus Richtung Briare. Dabei begleitet uns Daniel, ein ehemaliger Mitarbeiter von Christian, für ein paar Tage. Er absolviert mit uns das übliche Fitnessprogramm mit Schleusendrehen und abendlichen Bike-Touren.
Vor den Preis haben die Götter den Schweiss gesetzt!
Für die Mühen des Tages (na ja…) stärken wir uns mit einem ausgiebigen Brunch auf dem Vorderdeck.
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Fleury-sur-Loire ist ein verlassenes, kleines Nest, wie man es in dieser Gegend häufig trifft: Die Post und, als einziges Ladengeschäft, die Bäckerei sind nur am Vormittag geöffnet, der Wirt der «Auberge du Canal» hat sich mit dem Bürgermeister verkracht und nichts mehr verdient, worauf sein Etablissement zum Leidwesen der Versicherung auf wundersame Weise abbrannte, und die romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert ist nur auf Voranmeldung (bei wem?) zu besichtigen. Alles wirkt etwas hoffnungslos. Der Vorteil ist, dass auch tagsüber der Lärmpegel nahe und nachts ganz bei Null ist.
Lichtblick ist der kleine «Hafen» mit Strom und Wasser für zwei Euro pro Nacht und einer Snackbar. Hier wirten seit zwei Monaten Nathalie und Serge, ein Ehepaar, das sich vor Eifer und Entgegenkommen beinahe überschlägt, die wunderbarsten Gerichte zu einem Spottpreis kocht und, wenn gewünscht, sogar zum Schiff bringt.
Hoffentlich sind ihre Erwartungen nicht allzu hochgespannt, denn die meisten Bootsbesatzungen fahren vorbei und viele von denen, die hier übernachten, verpflegen sich selbst.
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Sie erinnern sich gewiss, dass wir in Bericht Nr. 34 einen Besuch in Apremont am Allier schilderten, das wir als Spielzeugdörfchen bezeichneten. Damals, im Herbst letzten Jahres, war die Saison vorbei und Apremont wie ausgestorben. Dieses Mal machen wir Halt am langen Quai im Unterwasser der Doppelschleuse von Le Guétin, nur etwa zwei Kilometer von Apremont entfernt und besuchen das Dorf mit dem Velo.
Und jetzt, anfangs Juli, herrscht hier blühendes Leben im wahrsten Sinne des Wortes, denn es wird im Akkord geheiratet.
Hoch über dem Dörfchen thront ein imposantes Schloss, das seit 1722 in der weiblichen Linie von der gleichen Adelsfamilie bewohnt wird. Eine besonders glückliche Hand bei der Partnerwahl hatte 1894 Antoinette de Rafelis-Saint-Sauveur, welche den schwerreichen Industriellen Eugène Schneider aus Le Creusot heiratete. Das befreite sie und ihre Nachkommen bis zum heutigen Tag von allen finanziellen Sorgen. Jedenfalls reichte das Geld, um aus Schloss und Dörfchen eine Art bewohntes Ballenberg zu gestalten. Heute bewohnt Duchesse Elvire de Brisssac das Schloss.
Ihr 2002 verstorbener Ehemann, Gilles de Brissac, begann 1970 mit dem Bau einer fantastischen Parkanlage, einer Mischung aus Golfplatz, Schlosspark und botanischem Garten.
Dieser «parc floral» und die «remparts», also die Schlosswälle, sind der Oeffentlichkeit zugänglich.
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Unsere nächste Station ist La Chapelle Montlinard, das nicht erwähnenswert wäre, würden hier nicht Freunde von uns, Guy und Ruth Toye, ein englisches Ehepaar, wohnen und wäre nicht gleich gegenüber, jenseits der Loire, das sehenswerte Städtchen La Charité sur Loire.
Sie wohnen direkt am Canal latéral à la Loire und wir können vor ihrem Haus festmachen.
La Charité sur Loire ist ein sehr hübsches und sehr altes Städtchen: Die Brücke über die Loire mit ihren Bögen stammt aus dem 16. Jahrhundert und die Ursprünge der Abteikirche – nach Cluny die zweitgrösste romanische Kirche in Frankreich – aus dem 11. Jahrhundert. Viele Pilger machen hier Halt auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela.
1429 belagerte Jeanne d’Arc das gut befestigte Städtchen erfolglos. Ihre Anhänger sahen darin ein Zeichen, dass sie von Gott verlassen worden war und dieses offenkundige Ausbleiben göttlicher Hilfe trug zu ihrem Untergang bei.
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In der Hochsaison sind zahlreiche Mietboote unterwegs – zu unserer Freude übrigens, denn sie tragen dazu bei, dass die Kanäle weiterhin unterhalten werden. Allerdings hat der Mietboottourismus infolge der unsicheren Wirtschaftslage stark nachgelassen.
Über die manchmal skurrilen Anlege- und Schleusenmanöver sehen wir grosszügig hinweg – auch wir haben unsere Lehrzeit absolvieren müssen – und dass viel zu schnell gefahren wird (die vielerorts unbefestigten Kanalufer werden richtiggehend ausgewaschen) und die Vortrittsregeln unbekannt sind (bei Engstellen hat der zu Tal fahrende Vortritt), ist der Fehler der Vermieter, die ihre Kunden nicht nur ungenügend, sondern überhaupt nicht instruieren. Wir fragen uns immer wieder, woher die Vermieter das Gottvertrauen hernehmen, blutige Anfänger mit 15m-Yachten loszuschicken.
Kehrseite der Hochsaison ist natürlich, dass wir nicht immer einen Liegeplatz mit Strom und Wasser finden. Aber bei unserer Schiffslänge haben wir ohnehin gelernt, zu improvisieren und mit unseren Wassertanks, dem Generator und den Solarzellen sind wir ziemlich lange von Landstrom und Wasserzapfstellen unabhängig.
Ideal sind alte, aufgegebene Fabrikanlagen. Aus den Zeiten, da hier noch Lastkähne beladen wurden, sind Quais mit soliden Pollern geblieben, sodass man nicht nur sicher, sondern auch ruhig liegt.
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Frankreich hat schon vor langer Zeit voll auf die Karte Atomstrom gesetzt, rund 86% der Elektrizität stammt aus Kernkraftwerken. So steht es jedenfalls auf unserer monatlichen Rechnung, die wir für unseren Quai-Anschluss in Roanne erhalten.
In Léré sur Loire liegen wir in direkter Nachbarschaft zur Centrale nucléaire de Belleville. Der Liegeplatz ist idyllisch, Strom und Wasser sind gratis. Dennoch sind wir hier die erste Nacht mutterseelenallein.
Erst am zweiten Tag legen Jan und Paula hier an, deren «Gesina Hillegonda» im Winter auch in Roanne liegt. Sowohl das Boot als auch seine Eigner sind bemerkenswert. Jan betrieb in Zwolle ein Geschäft als Klempner, also als Heizungsmonteur und Sanitärinstallateur, als die Stadt einen alten Turm ausschrieb und einen Interessenten mit einer Geschäftsidee suchte. Der damals fünfzigjährige Jan und die um ein Jahr ältere Paula meldeten sich kurz entschlossen mit der Idee einer Senffabrikation, obwohl sie von Senf so viel verstanden wie Du und ich. Sie fanden einfach, das würde noch nett in dieses alte Gemäuer passen. Zu ihrer eigenen Überraschung erhielten sie den Zuschlag und sie begannen, Bücher über die Senfherstellung zu wälzen sowie mit Essig und Senfkörnern zu experimentieren. Nach langen Versuchen gelang ihnen der grosse Wurf und heute führen ihre Söhne die gut gehende Senffabrik «De Wijndrager» mit vielen Spezialitäten. Der alte Turm ist schon lange viel zu klein geworden.
Aussergewöhnlich ist auch ihr Schiff. 1985 gebaut als Flussschiff für die holländische Zollbehörden, wurde es wenig später ausgemustert, als die Zollschranken an den Grenzen zu Belgien und Deutschland fielen. Das aufwendig gebaute Schiff, ausgerüstet mit einem Schottl-Antrieb (eine hydraulisch angetriebene Schraube, welche sich horizontal um 360° drehen kann und so ein Steuerruder überflüssig macht; Bedienung per Joystick, welcher in der rechten Armlehne des Steuermannstuhls sitzt), einem DAF 1160 Schiffsdiesel und einem exzellenten Radar wurde für 10 Prozent seines Neuwertes verkauft. Von solchen Schnäppchen kann man nur träumen…
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Der Canal latéral à la Loire führt uns bis nach Briare und von hier an fahren wir auf dem Canal de Briare. Über diesen Kanal und seine Geschichte haben wir im Bericht Nr. 33 geschrieben, als wir ihn im Herbst 2007 in umgekehrter Richtung, von der Seine zur Loire, befuhren. In Briare kommt unsere Tochter Annette für eine Ferienwoche an Bord.
Als wir noch nicht auf dem Schiff lebten, wären wir nie auf die Idee gekommen, dass unsere Kinder ihre Ferien bei uns verbringen würden…
Hi you two,
Wonderful to hear from you and it sounds like you are having a FABULOUS summer. So are we. We’ve done the Sancerre region, Paris, and are now in Epernay enjoying champagne! The bilges are full of champagne, so we are ready to head North to Belgium and Holland. We’ve spent many wonderful evenings with Betsy and Gary playing „Mexican Train“, but as of this morning, they are headed another direction…we will miss them.
Bisous to each of you. Thanks again for the email!!!!!!!!
Mary & Jim
C & C
Well we miss you already. Thank you again for the wonderful dinner and even better company. You are so kind to wait for us and then to do all that work for dinner. We really appreciate it and thank you.
We stayed again in Migennes for last night and went for a bike ride to a town called Seignelay. An unremarkable town although Michelin Guide had recommended it. Yesterday was also a Fete Day so perhaps that made the town seem different as everything was closed. There were a few beautiful buildings. At any rate we are going to Joigny this afternoon and will spend one or two nights. We expect to be in Montereau by Friday or Saturday and travel on the Seine on Sunday. I promise to not be stressed!!!!!! I hope you found a quiet mooring for last night. It is noisy here and the „promenaders“ seemed to be in abundance yesterday because it was a Fete Day. We will see you in October if not before perhaps in Digoin on the way home. Love Eric Sudi Tulah
Liebe Familie Huber! Mit Begeisterung habe ich die Schilderungen Ihrer verschiedenen Reisen gelesen! Meine Frau und ich sind erst seit etwa 4 Jahren vom Schiff-Virus befallen! Nach Frankreich waren wir diesen Sommer in Holland und waren vollauf begeistert vom Friesland, das wir mit Freunden im nächsten Sommer wieder befahren werden! Wir sind bis jetzt zwar nur „Böötli-Touristen“, werden aber in der näheren oder weiteren Zukunft der Kauf eines Schiffes in’s Auge fassen!
Ihnen wünschen wir weiterhin viel Spass, Freude und spannende Reisen auf Ihrem Schiff!
Liebe Grüsse aus der Schweiz!
René und Daniela Zollinger