Schiffsumbau auf der Werft
Anfangs Februar fuhren wir mit einem Mietauto von der Schweiz nach Holland. Mit diesem Mietauto hatten wir Glück. Es war ein Avis-Auto mit niederländischen Kontrollschildern, welches ohnehin nach Holland hätte rückgeführt werden müssen. So konnten wir das Auto zu einem Spottpreis mieten. Avis am Flughafen Zürich hat uns sozusagen auf den Knien darum gebeten, das Auto nach Holland zu fahren!
Wie wir im letzten Bericht erzählt haben, fanden wir bei unseren Freunden Nell und Frits, den Eignern der «Shell V», Aufnahme. So wohnten wir also ausserhalb eines kleinen Dörfchens am Merwedekanal in der Provinz Südholland. Einziger Nachteil war, dass die Werft 80 km von unserem Wohnort entfernt war und wir jeden Tag mit dem Auto hin und zurück fahren mussten. Wegen des sehr dichten Verkehrs in diesem Teil der Niederlande war das eine ziemliche Prüfung. Nicht nur zu den Stosszeiten hat es hier regelmässig Staus von 10–20 km Länge auf den Autobahnen. Staus unter einigen Kilometern Länge werden am Radio in den Verkehrsmeldungen schon gar nicht mehr erwähnt.
Wenn man einmal während rund 10 km auf einer drei- bis vierspurigen Autobahn im Schritttempo gefahren ist, so beschleichen uns doch gewisse Zweifel, ob die in der Schweiz immer wieder erhobene Forderung nach weiteren Tunnelröhren und Autobahnspuren (Wir reden hier nicht vom notwendigen Schliessen unverständlicher Autobahnlücken!) wirklich das richtige Rezept ist.
Wir fuhren nach Möglichkeit ausserhalb der Stosszeiten. Aber wenn wir einmal doch in einen Stau gerieten, so trugen wir das mit Gleichmut. Der öffentliche Verkehr war keine Alternative, nur schon der Hinweg hätte glattweg eine Tagesreise bedeutet. Ausweichen auf Neben- und Landstrassen hätte überhaupt nichts gebracht, im Gegenteil. Die Holländer sind nämlich Weltmeister im Hindernisbau, und selbst offene Landstrassen sind regelrecht «vermint» mit Schwellen und anderen Hindernissen. Es ist die offenkundige Absicht der Verkehrsplaner, den Autoverkehr auf die Autobahnen zu zwingen.
Dort geht es, wenn man denn einmal ohne Stau fahren kann, allerdings wie im hölzigen Himmel zu. Die Holländer mit ihren gelben Nummernschildern werden im benachbarten Ausland wegen ihrer Fahrweise «Die gelbe Gefahr» genannt. Und sie arbeiten in der Tat hart daran, diesen Ruf nicht zu verlieren. Offensichtlich instruieren holländische Fahrlehrer ihre Schüler so: «Wenn Du kein Auto neben Dir auf der Überholspur hast, kannst Du zum Überholen ausscheren. Was hinter Dir auf der Überholspur fährt, muss Dich nicht interessieren. Einbiegen darfst Du, wenn Du nicht mehr auf der gleichen Höhe wie das überholte Auto bist.» Der Begriff «Sicherheitsabstand» kommt jedenfalls im Vokabular eines durchschnittlichen holländischen Automobilisten nicht vor. Das Ganze ist ziemlich gewöhnungsbedürftig, insbesondere bei Nebel und Schnee. Kommt dazu, dass die sparsamen Holländer keine Winterreifen kaufen.
Als positiv ist hingegen zu vermelden, dass das alles total relaxed zu- und hergeht. Niemand regt sich auf, niemand hupt oder verwirft die Hände. Wenn man in Zürich bei Grün nicht innert einer Sekunde losfährt, löst man das schönste Hupkonzert aus. Das gleiche Hupkonzert hört der ausländische Automobilist, der in Zürich aus Ortsunkenntnis etwas unsicher fährt. Das haben wir hier noch nie erlebt, das gutschweizerische Schulmeistern ist den Holländern völlig fremd.
Zurück zum Schiffsumbau: Wir arbeiteten nach Kräften selber mit.
Unsere ursprüngliche und wohl etwas naive Absicht war es gewesen, im vorderen Teil der Achterkajüte die alte, von uns nicht benützte Küche (Jahrgang 1931!) auszubauen und Dusche/WC sowie ein Kombigerät Waschmaschine/Tumbler einzubauen. Im mittleren Teil wollten wir den alten Heizkessel mit Ölbrenner ersetzen durch einen modernen, sparsamen Kleinbrenner und den achterlichsten Teil mit den Schlafkojen hatten wir mehr oder weniger unverändert belassen wollen. Aus Kostengründen hatten wir uns entschlossen, das, was wir selbst machen konnten – nämlich den Teilabbruch der Achterkajüte – auch wirklich selbst zu machen. Das bewährte sich, weil wir so feststellen konnten resp. mussten, dass es unter den Kojen wegen mangelnder Luftzirkulation ziemlich feuchtete. Nach einem relativ kurzen Kriegsrat entschlossen wir uns zur Radikallösung und rissen praktisch die gesamte Achterkajüte bis auf den blanken Stahlrumpf heraus. So konnten wir erstens feststellen, dass der genietete Stahlrumpf des Schiffs auch nach über achtzig Jahren noch in perfektem Zustand ist und zweitens sahen wir erstmals die grosse Gesamtfläche unserer Achterkajüte. Hier war bis jetzt viel Platz verschenkt worden.
Als erstes bürsteten wir den freigelegten Stahl während Tagen mit Stahlbürsten, dann behandelten wir ihn mit Rostschutz. Namentlich in der Bilge, also dem tiefsten Teil des Rumpfes, war das harte Knochenarbeit. Aber das Resultat lohnte unsere Mühen, die achtzigjährige Dame strahlte nach ihrer Schönheitspflege wie ein Teenager.
Anschliessend isolierten wir die gesamte Achterkajüte mit einer dicken Lage Steinwolle, bevor der Schreiner die Holzplanken, die auf Mass zugesägt werden mussten, aufbrachte. Dann entstand in zweiwöchiger Arbeit die Achterkajüte. Deren Prunkstück sind sicher die beiden Schlafkojen. Vorher waren sie 1.70 m lang und recht schmal gewesen, jetzt können wir sie mit Matratzen von 2.0 x 0.8 m bestücken.
Während draussen Schneestürme über das Land fegten, bauten wir die neuen, grosszügigen Gästekojen auf, und gewannen gleichzeitig viel Stauraum.
Nach dem zusammen mit dem Werftdirektor aufgestellten Zeitplan sollte der Ausbau Ende März beendet sein. Dann werden wir mit den Beiz-, Lack- und Malerarbeiten beginnen. Davon und – wenn es nach unseren Plänen läuft – von der Jungfernfahrt der „neuen“ Kinette werden wir im nächsten Bericht erzählen.