Schiffsumbau auf der Werft (zweiter Teil)
sowie Leimuiden – Gorinchem
Von anderen Schiffseignern haben wir über derartige Umbauprojekte, nicht eingehaltenen Fristen und aus dem Ruder gelaufenen Kosten wahre Horrorgeschichten gehört. Diese Erfahrungen wollten wir nicht unbedingt auch noch machen und so vereinbarten wir mit dem Werftdirektor, dass er uns alle vierzehn Tage eine Zwischenabrechnung vorlegte, zusammen mit einer Aufstellung der noch zu erwartenden Kosten. Zusätzlich besprachen wir mit ihm regelmässig den Zeitplan. Ursprünglich hatte ja unser Umbauprojekt wesentlich bescheidener ausgesehen und wir hatten eine entsprechende Offerte der Werft gehabt. Aus den bereits erwähnten Gründen war diese Offerte aber bald einmal überholt. Diese vierzehntäglichen Besprechungen ermöglichten es uns trotzdem, Kosten und Zeitplan zu steuern. Dass der Werftdirektor uns diese Aufstellungen pünktlich lieferte, haben wir sehr geschätzt.
Der Bugstauraum unseres Schiffes (das so genannte «Schüürli») ist sehr geräumig und zwar so geräumig, dass der Voreigner des Schiffes dort im Laufe der Jahre alles verstaute, was er nicht fortwerfen wollte oder konnte, in der Meinung, man könne es irgendwann einmal gebrauchen. Der Zugang zu diesem Bugstaustraum erfolgte über einem Stahlaufsatz mit Lukendeckel. Dieser Stahlkasten sah zwar sehr holländisch und sehr schiffig aus, nahm aber viel Platz auf dem Vorderdeck weg.
Der ganze Stahlkasten samt Lukendeckel wurde mit der Trennscheibe ausgeschnitten.
Wir liessen die Luke vergrössern und einen flachen Lukendeckel schweissen.
Im Zuge dieser Arbeiten blieb uns nichts anderes übrig, als den gesamten Bugstauraum auszumisten und Tonnen von alten Farbkübeln, rostigem Werkzeugen und brüchigen Schläuchen zu entsorgen.
Wir haben im Sinn, dort im Laufe des Sommers Gestelle für unsere Werkzeuge, Gerätschaften und Ersatzteile einzubauen.
Der Umbau eines achtzigjährigen Schiffes ist, wie unsere Freundin Lella Künzli zutreffend festgestellt hat, vergleichbar mit dem Umbau eines alten Bauernhauses: Immer wieder gibt es Überraschungen. Unser Werftaufenthalt kam uns manchmal vor wie ein Spitalaufenthalt: Je länger man bleibt, desto kränker wird man. «Hospitalismus» nennt man das. Irgendwie schafften wir es aber doch, alle wirklichen, möglichen und eingebildeten Leckstellen im Dach und den Seitenwänden der Achterkajüte zu eruieren und zuzuschweissen.
Wir geben aber freimütig zu, dass wir im Laufe der Renovation oder, besser gesagt, der Totalsanierung der Achterkajüte auch unsere schwarzen Stunden hatten. Es gab Tage, da wir der festen Überzeugung waren, wir würden den Rest unseres Lebens auf dieser Werft verbringen im unablässigen, schliesslich aber aussichtslosen Kampf gegen den Rost.
Aber schliesslich blieb nur noch eine Leckstelle übrig. Diese (hoffentlich!!!) letzte Leckstelle in der Achterkajüte war die gemeinste. Unter der Innenseite des Backbord-Gangbordes fanden wir nach jedem Regenschauer ein paar Tropfen Wasser. Wir suchten auf der Aussenseite der Achterkajüten-Seitenwand mit der brutalen Methode, nämlich mit dem Spitzhammer. Erfolglos.
Erst als der Werftinhaber Piet de Bock mit dem Hammer auf der Innenseite der Achterkajüte gegen die Seitenwand klopfte, rieselte leise der Rost und endlich war die lang gesuchte Stelle gefunden. Mit einer schönen langen Schweissnaht war das Problem endlich behoben.
Uns liegt nämlich viel daran, dass unsere Gäste in der Achterkajüte trocken und so sicher wie in Abrahams Schoss wohnen können. Holländischer Schiffsbaustahl ist nämlich, wenn man ihn regelmässig und richtig behandelt, praktisch unzerstörbar.
Während des Umbau schienen uns unsere Tage endlos lang. Frühe Tagwache, Frühstück, mindestens eine Stunde Autofahrt (bei optimalen Verkehrsverhältnissen), ein Arbeitstag auf der Werft, dazwischen schnell einkaufen, am Abend relativ spät die Rückfahrt und schliesslich Haushalt, kochen, Buchhaltung und Mail erledigen.
Wir waren deshalb dankbar für einen der Höhepunkte unseres Umbauprojekts: Die Montage eines neuen Oberlichts für den Salon anstelle der bisherigen, nicht sehr schiffigen Aircondition.
Damit wir nicht wochenlang nur von Schweissen, Schneidbrennern, Malen und Schleifen erzählen, wenden wir uns zwischendurch einem ganz anderen Thema zu, nämlich der Flaggenfrage.
Kürzlich erhielten wir nämlich folgendes Mail:
Liebe Seefahrer
Da wir letztes Jahr selber losgefahren sind und in unserem Gepäck die Gastlandflaggen von Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen (unser Ziel war der Telemarkkanal im Süden von Norwegen) heimbrachten, interessiert uns natürlich, was andere in dieser Gilde so treiben.
Unser Boot ist in Harlingen NL immatrikuliert und hat somit die Holländische Nationale an Heck zu tragen. Hier hake ich meine Anfrage ein. Ist Ihr Schiff in Amsterdam, wie es auf dem Heck Steht, gemeldet, dann hat die Schweizerflagge an dieser Stelle nichts zu suchen.
Weiterhin gute Fahrt und vielleicht kreuzt sich Ihre Kinette mal mit unserer XY.
Liebe Seefahrergrüsse
Ruedi und Annamarie A.
Hat die Schweizerflagge tatsächlich «nichts zu suchen» am Heck von M.S. Kinette, wie man uns da so zackig belehrte? Sollten die weitgereisten Seefahrer Ruedi und Annamarie uns Kanalratten tatsächlich beim Flaggen-Schummeln erwischt haben?
Zum besseren Verständnis muss man wissen, dass Binnenschiffe in Holland wie M.S. Kinette weder irgendwo «immatrikuliert» noch gar «gemeldet» sein müssen, auch wenn diese Begriffe immer wieder herumgeistern. Binnenschiffe über zwanzig Meter Länge gelten als «grosse Schiffe» und werden im Schiffskataster eingetragen. Der Kataster-Auszug ist der Eigentumsbeweis am Schiff. M.S. Kinette beispielsweise ist im Schiffskataster von Rotterdam eingetragen. Man kann das «Immatrikulation» nennen, nur hat dieser Katastereintrag mit der Flagge nichts zu tun.
Der am Heck aufgemalte Ortschafts-Namen besagt, dass dort der übliche Liegeplatz des Schiffes ist. Man ist völlig frei, welchen Namen man aufpinseln will und niemand interessiert sich dafür. Die Gemeinde Amsterdam würde sich bedanken, wenn wir uns bei ihr auch noch «melden» würden – es sei denn, wir würden uns um einen ständigen Liegeplatz in einer Gracht bewerben.
Jeder Schiffsführer ist in den Niederlanden verpflichtet, den zweibändigen Wasseralmanach mit allen gesetzlichen Regelungen, Vorschriften, Verordnungen etc. an Bord mitzuführen. Und der Wasseralmanach beantwortet die Flaggenfrage eindeutig: «De nationaliteit van de eigenaar van het jacht bepaalt de vlag» (Wateralmanak Band 1, Seite 697 ff.). Das heisst übersetzt: «Die Nationalität des Eigners der Yacht bestimmt die Flagge». Ein Schiff darf die niederländische Flagge nur führen, wenn der Eigner Holländer oder das Schiff zu mindestens zwei Dritteln im Besitz von niederländischen Staatsbürgern ist. Fazit: Die Schweizerflagge, die so stolz am Heck unserer Kinette weht, hat dort nicht nur etwas zu suchen, sie hat es sogar gefunden: Ihren Platz nämlich!
Nach diesem kleinen flaggenrechtlichen Exkurs können wir uns wieder unserem Hauptthema zuwenden, nämlich unserer ersten Ausfahrt nach dem Umbau unserer Achterkajüte. Eine Fotografie dieser Gemächer werden wir erst dann auf die Homepage setzen, wenn auch die Vorhänger genäht sind. Es muss wirklich alles stimmen!
Dank Überstunden des Werftchefs und seines Sohnes waren wir am Abend des 18. April fahrklar (auch wenn noch Einiges zu tun bleibt und wir noch einmal in die Werft zurück müssen!) und am 19. April konnte es losgehen. Wir hatten für die 80 km von Leimuiden wegen der vielen Dreh- und Hebebrücken und der zwei Schleusen zwei Tage einkalkuliert, sodass wir rechtzeitig auf das DBA-Treffen vom 21.–23. April in Gorinchem sein würden.
Was für ein Gefühl nach zwei Monaten auf der Werft! Wir fuhren wieder!!! Und alle Brückenwärter und Schleusenmeister schienen sich mit uns zu freuen und ersparten uns jegliche Wartezeiten! Gegen Mittag konsultierten wir die Karte sowie das Navigationsprogramm und begannen zu realisieren, dass wir die Strecke in einem Tag schaffen könnten. Und tatsächlich: Um 17 Uhr beschloss Christian den Fahrtag mit einem jener Manöver, bei denen er immer zu Hochform aufläuft: 200 m rückwärts in den Lingehaven mitten im Städtchen Gorinchem.
Hier stiess auch unsere Tochter für einige Ferientage zu uns. Sie hatte uns im letzten Jahr eine Woche in Belgien und eine weitere Woche in Frankreich begleitet. Holland mit seinen wenigen Schleusen, dafür vielen Hebe- und Drehbrücken sowie mit seinen mächtigen Strömen war für sie neu. Sie hat diese Tage in Holland jedenfalls sehr genossen!
Am 22. April fuhr die ganze DBA-Flotte zusammen in die grosse Merwedeschleuse und dann, unter Begleitung der holländischen Wasserschutzpolizei, auf die Merwede hinaus.
So heisst der Rhein in diesem Abschnitt. Es muss in der letzten Zeit viel geregnet haben in der Schweiz, jedenfalls hatten wir gegen eine kräftige Strömung zu kämpfen und die Einfahrt in den historischen Hafen von Woudrichem im Kehrwasser war nicht ganz einfach.
Wir beschliessen den Bericht über das DBA-Treffen mit der Bemerkung, dass Charlotte einen Passagier auf dieser Ausfahrt ganz besonders ins Herz geschlossen hat. Es war sozusagen gegenseitige Liebe auf den ersten Blick …
Für die letzten Arbeiten am Schiff müssen wir noch einmal auf die Werft zurück. Von Gorinchem wollen wir über Utrecht nach Amsterdam. Liegeplätze im Zentrum von Amsterdam für ein Schiff unserer Grösse sind sehr, sehr rar. Wenn uns das Glück hold ist, werden wir auf der Rückfahrt mitten in Amsterdam übernachten. Ob wir das geschafft haben, erfahren Sie im nächsten Bericht.
Lieber Christian, liebe Frau Huber! Ich muss diese interessanten Reiseberichte immer wieder lesen, sie sind so spannend und dieses wunderschöne \“richtige\“ Schiff, ein Traum. Das habt ihr beide soooooo verdient!Weiterhin viel Freude, Mut und Kraft! Herzlich grüsst Ueli Wenger
Liebe Charlotte und Christian,
Es war für mich eine Freude Dich lieber Christian wieder einemal in Zürich kurz zu sehen.
Ihr beide habt uns eine grosse Freude bereitet mit der Ankündigung, dass wir für unseren Pier II Euer altes Steuerrad geschenkt bekommen sollen.
Ihr wisst wo es einmal seinen Standplatz mit festem Kurs am Vierwalstättersee mit Richtung und Azimut-Viznau seinen endgültigen Standort bekommen wird.
Ganz lieben Dank im Voraus.
Eure Trix und Franz Georg Huber