St-Symphorien (Saône/Canal du Rhone au Rhin) – Chalons-sur-Saône (Saône) – Louhans (La Seille) – Paray-le-Monial (Canal du Centre)
Das Wetter Ende August und anfangs September ist sehr beständig: Es regnet still vor sich hin. Tag für Tag.
Wir mögen nicht in die üblichen Klagen über das Regenwetter einstimmen, denn schliesslich gibt es ohne Wasser keine Wasserstrassen. Dabei sind nicht einmal die Flüsse das Problem, sondern die Kanäle mit einer Scheitelhaltung. Viele Kanäle überwinden eine Wasserscheide und von dieser Höhe aus müssen sie nach beiden Seiten alimentiert werden. Das geschieht meist mit riesigen Speicherbecken, die, wie die schweizerischen Stauseen, gefüllt sein müssen. Der Canal du Centre beispielsweise ist sehr anfällig auf Wassermangel. Sein höchster Punkt ist die Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik. Nach dem trockenen und heissen Sommer 2003 wurde er bereits im Oktober wegen Wassermangels geschlossen.
Wir verinnerlichen dieses Wissen und beginnen, den Regen geradezu zu geniessen.
Kaum aber haben wir uns an diesen Genuss gewöhnt, beginnt der Barometer wieder kräftig zu steigen und, rechtzeitig mit der Ankunft unserer Freunde Ruth und Peter, die uns während einer Woche begleiten werden, kehrt der Sommer zurück. Am nicht allzu frühen Morgen des 31. August schleusen wir von St-Symphorien auf die Saône hinaus und legen wenig später am Quai von St-Jean-de-Losne an, nachdem wir beim Bunkerschiff noch aufgetankt haben. Das Glück ist uns hold und wir finden an diesem begehrten Quai einen Liegeplatz.
In St-Jean-de-Losne hat die bekannte Bootsvermietungsfirma Crown Blue Line eine Niederlassung und wegen der relativ geringen Distanz zur Schweiz trifft man allenthalben auf Miteidgenossen. Hinzu kommt, dass man von hier aus die Qual der Wahl hat: Auf dem Canal de Bourgogne nordwestlich Richtung Dijon, auf der Saône südwärts Richtung Mâcon, nordwärts Richtung Auxonne und Gray oder auf dem Doubs nach Osten Richtung Dole, Besançon und Montbéliard.
Da unsere Freunde bereits um die Mittagszeit in St-Jean-de-Losne eintreffen, fahren wir mit ihnen auf der Saône ein Stück weit hinauf und gegen Abend wieder zurück. Natürlich ist unser Liegeplatz mittlerweile anderweitig besetzt, aber über Funk haben wir uns bereits vom Skipper der holländischen «Linquenda» die Zusicherung eingeholt, dass wir bei ihm längsseits anlegen können.
Peter und seine Frau Erika laden uns und unsere Freunde zum Apéritiv auf dem Deck der «Linquenda» ein. Christian, der anscheinend am Abend zuvor irgendetwas Mittelprächtiges gegessen hat, liegt derweil in seiner Kajüte, von Magenkrämpfen geschüttelt. Der Notfallarzt attestiert ihm reelle Überlebenschancen und in der Tat erscheint am nächsten Tag ein ausgehungerter und ausgetrockneter Kapitän am Frühstückstisch, wo ihm liebevoll Zwieback und Tee serviert wird.
Er ist jedenfalls wieder soweit bei Kräften, dass wir auf der Saône nach Seurre fahren können. Während wir in den Kanälen mit 6–8 km/h fahren müssen, um die Böschungen zu schonen, können wir, jauchzend vor Freude, auf der breiten Saône unbeschwert mit «full speed» und schäumender Bugwelle fahren. Nach rund zweieinhalb Stunden legen wir in Seurre am Ponton an.
Der Ponton von Seurre ist ja eigentlich für kleine Jachten bis 15 m gedacht, aber der Hafenmeister drückt ein Auge zu mit dem Hinweis, das hätten wir der Schweizerflagge am Heck zu verdanken. Holländer und Engländer kämen ihm nicht an diesen Ponton, erklärt er entschieden. Wir haben das schon mehrfach in Frankreich gehört. Die Holländer – so wird das hier verallgemeinert – sind nicht sehr beliebt, weil sie alles umsonst haben wollen und die Engländer, weil sie sich immer noch wie Kolonialherren aufführen, welche die Franzosen als Eingeborene von oben herab behandeln.
Am nächsten Tag erscheint übrigens derselbe Hafenmeister wieder am Ponton und erklärt: «Je sais maintenant qui vous êtes! Vous êtes l’ancien ministre des finances du Canton de Zurich!» Es stellt sich heraus, dass ein durchfahrender schweizerischer Schiffsbesitzer unser Inkognito gelüftet hat.
Seurre ist ein hübsches Städtchen mit einer bemerkenswerten Kirche, der Eglise Saint-Martin. Wie wir eintreten, spielt ein alter Mann am Harmonium das Ave Maria und begleitet sich selbst dabei auf der Flöte. Der 86jährige René Vila ist der geborene Erzähler. Wenn er die Geschichte der Kirche erzählt, spürt man ein inneres Feuer und seine Augen beginnen zu leuchten. Seine eigene Biographie ist nicht minder spannend: Geboren 1920 in Alger, übersiedelt nach Frankreich, Mechanikerlehre, Eintritt in die Armee mit 19 Jahren, Untertauchen im Widerstand, Anstellung bei den SNCF, den französischen Staatsbahnen – und das alles, wie er betont, «immer mit der Trompete in der Hand».
In Seurre fliessen «alte» und «neue» Saône zusammen. Die alte Saône ist zwar theoretisch ein Stück weit befahrbar, aber so unberührt, dass wir es bleiben lassen. Stattdessen fahren wir mit den Velos diesem Fluss entlang, der als Fischerparadies gilt.
Von Seurre aus fahren wir mit einem Zwischenhalt in Gergy nach Tournus. Eigentlich hätten wir gerne einen Zwischenhalt in Chalons-sur-Saône eingelegt, aber der Quai, an welchem wir anlegen könnten, ist bereits belegt.
Hier müssen wir uns entscheiden: Biegen wir hier in den Canal du Centre ab (der zu unserem Winterquartier in Roanne führt) oder fahren wir, weil wir noch reichlich Zeit haben, noch ein Stück weit die Saône hinunter und erkunden die Seille? Freunde haben uns von der Seille vorgeschwärmt, einem 39 km langen, wildromantischen und dank vier Schleusen befahrbaren Flüsschen in der Bresse.
Wir entschliessen uns zum Abstecher in die Seille.
Unterwegs finden wir am Quai in Tournus einen idealen Liegeplatz. Christian findet sogar noch einen gut getarnten Elektrokasten, sodass wir den Generator nicht anwerfen müssen. Geographisch sind wir im Mâconnais, das für seine Weine berühmt ist.
In jedem Fremdenführer wird die Abtei Saint-Philibert erwähnt, eine mit Schiessscharten versehene Wehrkirche aus dem 10. und 11. Jahrhundert. Die Mischung zwischen Kirche und martialischer Festung ist ziemlich verwirrend, sicher aber eindrücklich.
Nun kann man ja nicht ein ganzes Jahr lang gotische und romanische Kirchen besichtigen. Irgendwann beginnen sie einander zu gleichen. Das Hôtel-Dieu von Tournus ist deshalb eine willkommene Abwechslung. Ungeachtet seiner Bezeichnung ist es kein Hotel, sondern ein im 17. Jahrhundert erbautes Spital. Die Begriffe «hôpital», «hôtel-Dieu», «maison-Dieu» und «hospice», die heute für Einrichtungen unterschiedlichster Zielsetzungen verwendet werden, wurden in Frankreich jahrhundertelang gleichbedeutend verwendet. Sie hatten ursprünglich die Aufgabe, die Ärmsten der Bevölkerung aufzunehmen und zu versorgen. Den Bedürftigen zu helfen, indem man ihnen Unterkunft und Verpflegung anbot, war (und wäre heute noch) Pflicht eines jeden guten Christen. Im 17. Jahrhundert galt das Betteln und Vagabundieren als Gefahr für die öffentliche Ordnung. Die Not wurde zum Synonym für moralische und soziale Unordnung. Neben die Gastfreundschaft als erstem Bestimmungszweck eines Hospitals trat nun der Gedanke der Internierung.
Einzigartig am Hôtel-Dieu von Tournus ist, dass es erst 1978 geschlossen wurde. Die Folge davon war, dass das Spital mehr oder weniger nahtlos als Museum weitergeführt wurde.
In der Spitalapotheke stellten Ordensschwestern Salben, Tinkturen und Medikamente selber her – und man hat das Gefühl, die letzte Apothekerin habe eben erst den Raum mit seinen 300 Töpfen aus Fayence verlassen.
Der Abschied von Tournus fällt uns nicht leicht. Aber wie wir wenig später von der Saône in die Seille einbiegen, sind wir von einem Moment auf den anderen in einer anderen Welt.
Die vier Schleusen der Seille sind kleiner als das französische Freycinet-Mass, nämlich nur 30 m lang. Einen Schleusenwärter gibt es nur an der ersten Schleuse, die drei weiteren Schleusen öffnet und schliesst man selbst von Hand. Weil wir die Liegeplätze an der Seille nicht kennen, erhalten wir via Mail von der Dutch Barge Association (DBA), deren Mitglied wir sind, eine aufdatierte Liste sämtlicher Anlegeplätze am Fluss mit allen erdenklichen Angaben. Die DBA verfügt von sämtlichen Kanälen über derartige Listen, die laufend nachgeführt werden. Eine vorbildliche Dienstleistung eines hervorragend organisierten Klubs!
Location | La Truchère | PK 1 | 46° 30.88’ N 4° 56.89, E |
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Mooring | 60m long pontoon | Rings, Depth 1.8 m | ||
Facilities & Costs | Water & electricity | €8 € 10 with water | ||
Local Amenities | Restaurant plus bread if ordered night before from owner. Both restaurants may be closed (end of August 2005) | |||
Contributor & Date | La Belle Hélène 14.9 x 0.76m, 5/ 03 ; Nos Rêves (15m x 1m) 7/05 | |||
Remarks | Pleasant spot just above 1st lock. |
Location | Cruisery | PK 1 | ||
Mooring | 40m pontoon, plus bank for 25m boat | Rings on pontoon, pins for bank | ||
Facilities & Costs | Water & electricity | €8 – mooring & €2.5 – power | ||
Local Amenities | Nearby campsite has showers & a laundry. | |||
Contributor & Date | La Belle Hélène (14.9m x 3.81m x 0.76m) – May 03 | |||
Remarks | Steep walk into town. One of the main ‘book villages’ in France – book market every 1st Sunday in month. Reputedly good restaurant in town (Hostellerie Bressane). Not tried but need to book! We didn’t. |
Ausschnitt aus der DBA-Liste der Anlegeplätze an der Seille
Berufsverkehr hat es keinen mehr. Dafür ist die Seille ein Paradies für Mietboote (in Loisy ist eine kleine Basis von Locaboat) und Freizeitschiffer.
Ab Louhans, einer reizvollen Kleinstadt, ist die Seille nicht mehr schiffbar, weshalb man einen Ruhetag einschalten und eine dieser riesigen Bress-Poularden verzehren muss. Die werden nämlich in dieser Region gezüchtet. Gewichtsmässig ist das Burgund unser Untergang. Nicht nur der Mond ist zunehmend…
In Louhans verlassen uns Ruth und Peter. Dafür kommen Charlottes Schwester Margrit mit ihrem Mann Alfons (wieder) zu uns. Sie sind bereits in Holland eine Woche mit uns gefahren.
Wir fahren mit ihnen in einem Tag die Seille hinunter und die Saône hinauf bis Tournus, wo wir am selben Quai wieder anlegen können.
In Tournus ist Markt und es herrscht, wie man zu sagen pflegt, ein buntes Treiben. Eigentlich ist es mehr Spektakel als Markt: Ein Eisenplastiker giesst kleine Skulpturen auf einem Platz und eine Gruppe Jugendlicher spielt unbeschwert und fröhlich Dixie.
Am nächsten Tag fahren wir saôneaufwärts zurück nach Chalons-sur-Saône und kurz nach Chalons biegen wir in den Canal du Centre ein.
Der Canal du Centre, der die Täler der Saône und der Loire miteinander verbindet, wurde 1784 bis 1792 gegraben. Der Bau des Kanals hatte einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung zur Folge. Am meisten profitierten Montchanin mit seiner Eisenindustrie und Montceau-les-Mines, wo Kohle abgebaut wurde. 1936 wurden über anderthalb Millionen Tonnen Güter auf dem Kanal transportiert, das Meiste davon Kohle. Montceau-les-Mines war einer jener zehn Binnenhäfen in Frankreich, in denen mehr als eine Million Tonnen Güter umgeschlagen wurde.
Die Kohlenmine von Blanzy ist heute ein Museum. Weil alle Maschinen bis vor 6 Jahren noch liefen, sind sie noch heute voll funktionsfähig.
Im Jahr 2000 wurde die letzte Kohlenmine geschlossen und der Berufsverkehr brach völlig ein. Heute benützen pro Jahr noch etwa 50–100 Transportschiffe den Kanal. Zum Ausgleich sind die Region und die Gemeinden bemüht, den Bootstourismus zu fördern.
Die erste Schleuse hat einen Hub von nicht weniger als 10 m und wirkt mit ihrem triefenden Hebetor irgendwie bedrohlich. Aber wir kennen das System noch von der Schleuse von Ittre, die wir im Bericht Nr. 17 beschrieben haben.
Die ersten paar Kilometer auf dem Canal du Centre führen durch Industriegebiet, aber schon das erste Dorf, Fragnes, zeigt sich von der besten Seite. Ein moderner, langer Quai mit Wasser und Strom erwartet uns. Hier beginnt die «Trasse verte», ein Veloweg entlang dem Canal du Centre, der bis St-Léger-sur-Dheune führt. Man wähnt sich beinahe in den velofreundlichen Niederlanden, denn hier steht sogar eine Velowasch- und Pneupumpstation.
Direkt am Quai liegt das Restaurant «Fleur de Sel», das von den jungen Wirtsleuten Barbara und Franck geführt wird. Ihnen verleihen wir einen Extrastern im «Guide Kinette» für Gastfreundschaft. Obwohl sie ihren Wirtesonntag eben begonnen haben, servieren sie uns noch Getränke und stellen sogar noch extra Tisch und Sonnenschirm für uns auf die Terrasse!
Am nächsten Tag treffen wir auf Bob und Christine mit ihrer «Sassi», die wir schon in St-Symphorien getroffen hatten. Sie sind auf ein verborgen unter Wasser liegendes Hindernis aufgelaufen und haben dabei ihr Steuerruder beschädigt.
Sie können das Steuerruder mit einem Kettenzug wenigstens soweit fixieren, dass sie, wenn auch sehr langsam, ihre Reise fortsetzen können.
Der Canal du Centre führt durchs Burgund und steigt mit 29 Schleusen von Chalons (171 m.ü.M.) bis Montchanin (301 m.ü.M.). Er ist ein beliebtes Revier für Mietboote. In Chagny ist eine Basis von Escarg’eau und in St-Léger-sur-Dheune eine sehr gepflegte Locaboat-Basis. In St-Léger bleiben wir zwei Tage, weil wir am Quai direkt vor der Locaboat-Basis anlegen dürfen.
Von St-Léger aus unternehmen wir eine lange Velotour nach St-Sernain-du-Plain hinauf. Die Weinlese soll am nächsten Tag beginnen und überall werden die Gerätschaften bereitgestellt, Pressen gereinigt und Bottiche gespült.
Unsere weitere Fahrt führt über Montchanin, Montceau-les-Mines, Génelard nach Paray-le-Monial. Wettermässig hätten wir es nicht besser treffen können, denn im Südburgund wird ein Altweibersommer wie aus dem Bilderbuch abgehalten. Die Bootssaison ist mehr oder weniger zu Ende und wir haben den Kanal praktisch für uns allein. Was für ein herrliches Gefühl: Wir können uns jeweils noch in der zweiten Hälfte Nachmittag den Liegeplatz aussuchen. Nicht einmal dort, wo keine Hafengebühr erhoben und Strom und Wasser gratis sind, hat es Schiffe – und das will etwas heissen!
Montceau-les-Mines ist trotz seiner 20’000 Einwohner eine junge Stadt, sie wurde erst 1856 als Kohlebergbau-Stadt gegründet. Heute unternimmt Montceau grosse Anstrengungen, sein graues «Kohle-Image» loszuwerden.
Sinnbild für das Bemühen um Farbe ist das Stadthaus, das «Hôtel de Ville», eine Augenweide bei Tag und bei Nacht.
Verlässt man Montceau-les-Mines Richtung Süden, so könnte man beinahe von einem burgundischen Amsterdam sprechen.
Von dem verschlafenen Dörfchen Génelard, unserem nächsten Zwischenhalt, gäbe es eigentlich nichts zu berichten, auch wenn es das «Museum der Demarkationslinie» beherbergt. Aber Génelard wird uns wegen des Restaurants «Le Provençal» in allerbester Erinnerung bleiben. Es ist so französisch, wie ein Beizli in einem kleinen Dörfchen nur sein kann. Wenn man sich längere Zeit in Frankreich aufhält, weiss man, dass man sich achten muss, wo die Lastwagenchauffeure zum Mittagessen anhalten. Vor dem «Le Provençal» stehen die «poids lourds» geradezu klumpenweise. Wir marschieren also abends gegen halb acht Uhr ins Provençal und werden nicht enttäuscht. Vorne ist die Bar und der Fernseher läuft, Eurosport natürlich. Hinten im Säli ein paar gedeckte kleine Tische. Eine Speisekarte gibt es nicht, auch keine Auswahl. Es wird gegessen, was draussen in der Küche köchelt. Zuerst gibt es einen Teller mit Salat und Charcuterie, dann ein Boeuf bourgignon, gefolgt von einer Käseauswahl à discretion und einer Île flottante zum Dessert. Kostenpunkt 11 Euro, umgerechnet also nicht einmal 18 Franken.
So gestärkt, fahren wir am nächsten Tag nach Paray-le-Monial. Der Empfang ist spannend, denn kaum haben wir angelegt, erscheint schon die Gendarmerie. Reinen Gewissens, wie wir sind, bitten wir sie an Bord. Es stellt sich heraus, dass gleichentags im Kanal eine Säuglingsleiche gefunden wurde, weshalb alle Schiffer befragt werden.
Leider können wir nichts zur Erhellung des makabren Geschehens beitragen, weshalb wir uns nach stattgefundener Befragung zur Besichtigung des Städtchens aufmachen.
Hier atmet alles den Geruch der Heiligkeit. Zum Entzücken des Tourismusdirektors, falls es damals schon einen gab, hatte nämlich eine gewisse Marguerite-Maria Alacoque, welche nach vierjähriger Bettlägerigkeit infolge Kinderlähmung und nach einer schwierigen Jugend Nonne geworden war, von 1673 bis zu ihrem Tod 1690 Visionen und Offenbarungen, welche ihr Beichtvater schriftlich niederlegte. Das war der Beginn der Herz-Jesu-Verehrung in Frankreich. 1864 wurde Schwester Marguerite-Maria selig- und 1920 heiliggesprochen. Ihrem Beichtvater wurde übrigens das gleiche Schicksal zuteil. Selbst guten Katholiken ist die Heiligen- und übrigens auch die die Reliquienverehrung manchmal etwas unheimlich. Aber wer will denn schon kritisch sein, wenn seit 1873 jährlich grosse Wallfahrten stattfinden und Paray-le-Monial das ganze Jahr hindurch von Scharen religiöser Touristen bevölkert wird?
Nicht nur weil Paray-le-Monial so charmant ist, sondern hauptsächlich wegen eines Konzertes, das für Samstagabend in der Herz-Jesu-Basilika angesagt ist, verlängern wir unseren Aufenthalt auf sechs Tage.
Uetliburg, 04.10.2006
Liebe Kinette – Crew
Ihre Fahrten – Berichte geniessen wir immer mit viel Vergnügen und erwarten jeweils mit Ungeduld den nächsten Bericht. Ein herzhaftes Lachen hat aber Bericht Nr.20 bewirkt! Dies hat
folgende Bewandtnis:
Als langjährige Segler auf Binnenseen + Meer haben wir 1997 unsre ersten Erfahrungen auf französischen Kanälen gesammelt. Unsere Reise auf einem Charter-Boot führte uns von Dijon (Canal de Bourgogne) nach Branges (la Seille). Als Etappenziel war natürlich, unter anderen, auch Seurre vorgesehen. Selbstverständlich durfte ein Besuch der bemerkenswerten Kirche St. Martin nicht ausgelassen werden. Dezente Musik klang in unsere Ohren. Ein älterer Herr bearbeitete das Harmonium und spielte dazu auf seiner Flöte. René Vila! Offenbar hatte er in uns dankbare Opfer erblickt! Er brach sein Spiel ab und sprach uns an. Dieses Ansprechen artete jedoch bald aus in einer Ansprache und Erklärung über die Geschichte der Kirche, die Bedeutung und Ursprung der schönen Fenster, der Vergangenheit der Region im speziellen und Frankreich im Allgemeinen. Nach bald eineinhalb Stunden, (unsere Tochter mit Schwiegersohn in spe hatten sich längst verkrümelt) – glaubten wir wenigstens – nun wirklich alles zu wissen. Wir verabschiedeten uns höflich, mit herzlichem Dank und nicht ohne dem lieben René für seine Bemühungen ein Nötchen in die Hand zu drücken. Beiläufig erkundigten wir uns, ob dies nun in die Kirchenkasse oder zu Gunsten des Ortsheiligen gehe oder… Nein …….., nein er werde sich dafür ein feines Schlückchen Roten genehmigen und der heilige Sankt „Ichweissnichtmehrwie“ werde ganz bestimmt nichts dagegen einzuwenden haben. Unsererseits hatten wir überhaupt nichts dagegen einzuwenden.
Die erste Kanal – Fahrt hat uns begeistert. Also Segelschiff verkaufen + Motorschiff kaufen! Im Sommer 2001 und 2002 waren wir total elf Monate in Frankreich unterwegs. Von Strassburg bis Royan und Port St. Louis bis Rouen. 6000 km und 1100 Schleusen. 31.8. – 6.9.2002 Aufenthalt in Seurre. Selbstverständlich inkl. Besuch der Kathedrale St. Martin. Dezente Musik klingt in unsere Ohren. Ein älterer Herr ………… (siehe oben). Wir rebewunderten die schönen Fenster, hielten uns aber bewusst diskret im Hintergrund, denn einerseits kannten wir ja die Geschichte der ganzen Region bereits bestens, andererseits wollten wir unter gar keinen Umständen den musikalischen Vortrag unterbrechen – und damit die Dauer unseres Aufenthalts in der Kirche St. Martin in Grenzen halten!
Für Eure Weiterreise nach Roanne wünschen wir Euch viel Spass und immer eine Handbreite Wasser unter dem Kiel. Roanne – Digoin hat uns sehr gut gefallen, und in Roanne kann man sich sehr gut auch längere Zeit aufhalten. Wir warten mit Ungeduld auf Bericht Nr. 21!
Mit besten Grüssen
Iris Minder und Hansjürg Bolli
MY LIMBO, Bâle (z.Z. „leider nur“ auf dem Neuenburgersee)