Gorinchem – oder: Wir bauen uns ein Ruderboot
Zu einem richtigen Schiff gehört ein Beiboot. Vor allem in den Niederlanden gibt es idyllische Ankerplätze, und wenn man vor Anker liegt, ist ein Beiboot ideal, um Einkäufe zu machen oder die Gegend zu erkunden. Kinette war schon immer mit einem Beiboot ausgerüstet. Als wir sie seinerzeit kauften, gehörte ein Speedboot mit einem 25 PS Yamaha-Motor zum Inventar.
Toll, um damit in der Gegend herum zu furzen, aber mit 4.30 Meter leider zu lang für Kinettes Achterdeck.
Wir überliessen das Speedboot dem Voreigner, der uns dafür ein klassisches Stahl-Beiboot überliess. Unklassisch daran war, dass der Boden – was sich erst nach dem Sandstrahlen herausstellte – völlig durchgerostet war. Wir waren schlicht und ergreifend über den Tisch gezogen worden und es blieb uns nichts anderes übrig, als einen neuen Boden einschweissen zu lassen.
Nach vier Jahren stellten wir fest, dass wir das Beiboot ein einziges Mal zu Wasser gelassen hatten, als wir nämlich in Roanne einen Hund vor dem Ertrinken retteten. Hernach liessen wir es aus Bequemlichkeit im Wasser, bis wir es als schwimmende Plattform für Aussenarbeiten einsetzen konnten. Dann blieb es wieder unbenutzt.
Für den täglichen Gebrauch war es schlicht und einfach zu schwer. Glücklicherweise fanden wir in den Niederlanden einen Liebhaber und verkauften es ihm leichten Herzens.
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Nun war Kinette sozusagen Beiboot-los – ein unhaltbarer Zustand. So hielten wir denn Ausschau nach einem Ersatz. Ein kleineres Schlauchboot? Passt irgendwie nicht zu einem Stahlschiff wie Kinette. Ein Plastikboot? Passt sowieso nicht. Aluminium? Praktisch, aber meistens hässlich.
Die Lösung fanden wir, als wir bei Govert Tukker vor der Werft lagen, wo Kinette einen neuen Mast und einen ebenso neuen Antennenbügel erhielt. Tukker baut nämlich für die Rhein-Tankschiffe Rettungsboote aus Stahl. Elegant und unverwüstlich – aber natürlich viel zu gross für Kinette. Bis wir von Govert Tukker erfuhren, er habe auch schon kleine Ruderboote gebaut, drei Meter lang und sogar für Aussenbordmotoren geeignet. Lieferzeit? Govert Tukker behauptete, ein Drei-Meter-Boot aus Stahl baue er in einem Tag. Wir haben es nicht geglaubt, bis wir eines Besseren belehrt wurden.
Hinter diesem atemberaubenden Tempo stehen natürlich jahrzehntelange Erfahrung sowie eine sorgfältige Vorbereitung. Zur Vorbereitung gehört ein regelrechtes Schnittmuster, nach welchem die einzelnen Bauteile passgenau ausgeschnitten und, quasi als Baupaket, bereit gelegt werden.
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Wir haben mittlerweile fünf Jahre Erfahrung mit Stahlschiffen und deren Unterhalt. Unsorgfältiges Arbeiten wird sofort mit Rost bestraft. Wir sind wild entschlossen, dass uns das bei «Kinettli», so haben wir unser Beiboot provisorisch getauft, nicht passieren soll.
Zuerst erhält das Beiboot deshalb zwei Schichten Zweikomponenten-Grundierung, die wir in der geheizten Werfthalle sorgfältig aushärten lassen. Darauf folgt eine Schicht Multi Marine Primer und hernach zwei Schichten Einkomponenten-Farbe (innen) resp. zwei Schichten Shipcoat Haftgrund und zwei Schichten Shipcoat Protective Coating (aussen).
Bei Hafendienst- und Lotsen-Schiffen hatten wir rundumlaufende Hartgummi-Stossleisten gesehen, die in ein spezielles Stahl-Profil eingepresst werden – schützt das Boot und die Schiffe, an welche man damit anlegt. Fabriziert werden diese Hartgummiprofile übrigens für die Räder der zahlreichen Kutschen, welche in belgischen Städten Rundfahrten für Touristen anbieten.
Das schien uns eine gute Idee zu sein und so wird «Kinettli» professionell aufgepeppt.
Wir sind aus Schaden klug geworden und verwenden keine Farbe aus dem Baumarkt, sondern Produkte von Shipcoat, Epifanes und Sikkens.
Da wir jede Menge Zeit haben, können wir bei «Kinettli» sorgfältig ans Werk gehen.
Ende Januar ist «Kinettli» fertig und für die feierliche Jungernfahrt brauchen wir nur noch zu warten, bis das Eis zwischen der Werft und unserem Liegeplatz aufgetaut ist.
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Eigentlich wollten wir ja im Januar eine Städtefahrt machen und die historischen Häfen im Südwesten Hollands besuchen. Aber diese Pläne müssen wir im wahrsten Sinne des Wortes aufs Eis legen. Mit der anhaltenden Kälte beginnen Kanäle, Flüsse und Seen zuzufrieren. Die Niederlande steuern auf die nächste Krise zu – das Streusalz geht aus.
Ganz langsam bildet sich auch auf der Gracht, in welcher wir liegen, eine dünne Eisdecke, die von Tag zu Tag dicker wird, bis sich in anfangs Januar die ersten mutigen Schlittschuhläufer aufs Eis trauen. Weil das Eis bis an den Schiffsrumpf heran reicht, hören wir jeden Schlittschuhläufer, wie wenn wir daneben stünden.
Kinette wird in diesem eisig kalten Winter hinsichtlich Isolation, Heizung und Wohnklima einem unbarmherzigen Härtetest unterzogen und wir damit.
Dank unserer Zentralheizung ist es auch an den kältesten Tagen immer wohlig warm und trocken im Schiff, nur nachts senken wir auf 12° Celsius ab. Aber unsere Lieben denken fürsorglich an uns: Tochter Annette schickt uns aus ihrer Wahlheimat Bolivien wunderschöne farbige Wollmützen, -handschuhe und -schal, Schwägerin Paula lismet für uns herrlich warme Bettsocken, Nell und Frits van Geijtenbeek schenken uns eine Bettflasche – es fehlt uns wirklich an nichts!
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Die Versuchung ist natürlich riesengross, angesichts des strengen Winters an dieser Stelle eine Satire über den globalen Erwärmungs-Hype zu schreiben, zumal man jetzt politisch korrekt und aus aktuellem Anlass vom «globalen Klimawandel» sprechen muss. Aber diese Satire braucht es gar nicht mehr, nachdem Hacker mit «Climategate» aufgedeckt haben, wie Daten unterdrückt und kritische Wissenschafter mundtot gemacht werden, nachdem bekannt wurde, wie weltweit Temperatur-Messstationen an kalten Orten aufgehoben wurden, um nur noch höhere Temperaturen messen zu können und schliesslich, nachdem bekannt wurde, dass die Falschmeldung der rasant schmelzenden Himalaja-Gletscher dem betreffenden indischen «Klimatologen» eine halbe Million Dollar Forschungsgelder eingetragen hat. Anstatt also diese Satire zu schreiben, können wir unbeschwert und frohen Mutes den niederländischen Winter geniessen.
Aber wir geben es zu: Wir warten sehnsüchtig auf den Tag, da das Eis schmilzt und wir wieder auslaufen können!