Amsterdam – Gouda – Gorinchem – Meerkerk
(Amstel, Gouwe, Aarkanaal, Hollandse Ijssel, Noord, Boven Merwede, Merwedekanaal bezuiden de Lek; 129 km, 5 Schleusen, 28 Hebebrücken)
Endlich haben wir wieder schwankenden Boden unter den Füssen – offen gestanden, mit etwas Anlaufschwierigkeiten. Nach der langen Winterpause von vier Monaten funktioniert noch nicht alles und zudem müssen wir uns wieder ans Leben auf dem Schiff gewöhnen. In einer Wohnung wird man verwöhnt («wohnen» kommt wahrscheinlich von «verwöhnen»), alles funktioniert und ist ganz selbstverständlich vorhanden: Strom, Wasser, Heizung, TV, Toilettenspülung etc. Nach unserer Ankunft am Sonntagmittag müssen wir zuerst in einem relativ anspruchsvollen Manöver im engen Hafen in Amsterdam 150 m rückwärts um alle Ecken herum an die Wasserzapfstelle fahren und dort 1000 Liter Wasser bunkern. Wie wir am nächsten Morgen losfahren, stellen wir fest, dass wir viel zu wenig Wasserdruck haben, es reicht knapp zum Zähneputzen, aber mit Duschen is nix.
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Aber wichtiger ist ja das Positive: Das Schiff hat im Winter nicht den geringsten Schaden genommen und alles ist noch da (ausser einer Gasflaschenhaube, die es im Sturm verweht hat). Unser Elektriker aus Meerkerk fuhr einmal pro Monat nach Amsterdam, schaute zum Rechten, ersetzte die Beleuchtung im Salon, baute eine Zwangsentlüftung in unserer Dusche ein und behob einen Konstruktionsfehler im Frischwassersystem; wir hatten seinerzeit die Leitungen erneuert und dabei eine Leitung zu hoch gelegt, sodass der Wassertank nur zu zwei Dritteln geleert werden konnte.
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Am Montag dann die Fahrt durch Amsterdam. Bei Prachtswetter einmal mehr ein Erlebnis. Nach einer kurzen Wartezeit vor der ersten Hebebrücke beim Zentralbahnhof läuft es wie am Schnürchen, der Verkehr inkl. Strassenbahnen wird gestoppt, die Brücken eine nach der andern gehoben und die Fahrt durch die mittelalterlichen Grachten, eifrig fotografiert von aufgeregten Touristen, ist wie immer eindrücklich. Wir fahren am Carré-Theater vorbei, wo uns vor einem Jahr der Flaggenstock samt (gottseidank «nur» niederländischer) Flagge gestohlen wurde und dann auf der Amstel aus der Stadt hinaus weiter bis Ouderkerk aan de Amstel («Altkirchen an der Amstel»).
Malerisch, ruhig, nur zwei Liegeplätze für grosse Schiffe, aber um diese Jahreszeit ist der Quai nicht besetzt. Es hat ausschliesslich Berufsverkehr auf dem Wasser und auch das nur mässig. Wir fahren vor einem Haustransport durch Amsterdam und hinter einem zweiten Haustransport auf der Amstel bis Ouderkerk. «Haustransport» muss man so verstehen, dass ein schwimmendes Wohnhaus, die Niederländer nennen das «Wohnarche», von einem Schlepper gezogen und von einem zweiten Schlepper hintendran im Bedarfsfall gebremst oder um enge Kurven geschoben wird. Schwertransporte finden in den Niederlanden auf dem Wasser statt.
In Ouderkerk können wir im Supermarkt unsere Vorräte füllen, der Laden hat eine eigene Anlegestelle für die schifffahrende Kundschaft. Zur Feier des Tages lunchen wir nicht an Bord, sondern im Restaurant «’t Deurtje» («Das Türchen») bei unserem Liegeplatz. Sehr gepflegt, sehr schön präsentiert und nicht billig.
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Von Ouderkerk fahren wir bei immer noch schönem Wetter auf der Amstel, der Gouwe und dem Aarkanal nach Gouda. Auch hier beinahe kein Verkehr. Die Amstel ist zwischen Ouderkerk und Alphen am Rhein um diese Jahreszeit praktisch nicht befahren, die Tolhuissluizen («Zollhausschleuse») nicht einmal besetzt (in der Hochsaison ist diese Schleuse mehr Tollhaus als Zollhaus) und wir müssen bei der provinzialen Wasserwegeverwaltung telefonisch einen Schleusenwärter anfordern. Vor dem 1. April ist hier noch alles tot. Aber mit erstaunlich geringen Wartezeiten klappt alles reibungslos. Holland eben.
Jedenfalls kommen wir am späteren Nachmittag in Gouda an. Auf Deutsch spricht man das übrigens als «Chauda» aus. Auch hier ist die Schleuse am Stadteingang unbemannt, aber ein Telefon mit dem Hafendienst und 10 Minuten später fährt ein ganzes Rudel von Schleusenwärtern und Brückenwächtern auf, sichtlich dankbar für die Abwechslung. Eine Schleuse und zwei Hebebrücken später liegen wir in der Turfsingelgracht im Zentrum von Gouda.
Der Brückenwärter hat uns diesen Liegeplatz empfohlen, er habe am längsten Abendsonne, aber leider sei der Landstrom um diese Jahreszeit noch nicht eingeschaltet.
Am nächsten Morgen kommt der Hafenmeister, um das Liegegeld zu kassieren (Wintertarif) und fragt beiläufig, ob wir gerne Strom hätten – gratis, 16 Ampère (Luxus!!!). Was für eine Frage!
Dann sucht Christian nach der Ursache für den fehlenden Wasserdruck, ersetzt zwei Wasserfilter und stellt fest, dass der Aktivkohlenfilter praktisch kein Wasser mehr durchgelassen hatte. Aha! Wasserpumpe aus, Filter ersetzt, Wasserpumpe an: Alles dicht und wieder normaler Wasserdruck. Der Tag hat gut begonnen! Wir werden einige Tage in Gouda liegen bleiben, auf- und einräumen sowie die Stadt erkunden.
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Eigentlich wollten wir ja auf der idyllischen Hollandse Ijssel quasi hintenherum auf Schleichwegen nach Osten fahren, aber vor dem 1. April werden die Brücken und die eine Schleuse nicht bedient. Das kann uns nicht verdriessen, wir lassen uns einfach eine ganze Woche Zeit für Gouda.
Auf der Werft werden wir erst Donnerstag nächste Woche erwartet, bis dorthin fährt man einen (langen) Tag oder, wenn man in Dordrecht einen Zwischenhalt macht, zwei Tage.
Gouda ist natürlich bekannt für den gleichnamigen Käse, den es hier tonnenweise und in allen Reifegraden zu kaufen gibt. Aber Gouda ist nicht nur Käse. Daneben sind die Kerzen aus Gouda ein Begriff, die zum Teil noch wie einst von Hand gezogen werden.
Ein absoluter Anrater ist die längste Kirche der Niederlande, die Sint Janskerk mit ihren bis zu 25 m hohen farbigen Kirchenfenstern, welche seit dem Mittelalter alle Stürme der Zeit inklusive den Bildersturm der Reformation sowie die deutsche Besetzung im Zweiten Weltkrieg überstanden haben.
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Unsere Freunde Nell und Frits van Geijtenbeek sind aus Dubai, wo sie Sohn, Schwiegertochter und Enkelkind besucht haben, zurückgekehrt. Während Kinette auf der Helling ist, können wir in der Gästewohnung ihres Gehöftes unterkommen. Roger und Louise Lamothe, ein kanadisches Ehepaar, das auf dem Schiff «The River» lebt und das wir vor sechs Jahren kennengelernt haben, sind ebenfalls in der Gegend – sie lassen einen neuen Motor einbauen – und wir werden wohl zu dritt Richtung Namur fahren, wo Ende Mai ein Treffen der Dutch Barge Association stattfindet.
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Eigentlich (beachten Sie: «eigentlich»!) wäre ja nicht schon wieder ein Werftaufenthalt fällig. Aber die im vorletzten Herbst aufgetragene schwarze Farbe an den Rumpfseiten hatte einen Produktionsfehler. Die Werft erklärte sich anstandslos bereit, auf Garantie die Farbe erneut aufzutragen. Früher war das einfacher. Der Teer, den man auf die Rümpfe schmierte, bot guten Schutz und hielt lange. Leider fiel er umweltmässig in Ungnade und das Naturprodukt Teer musste durch synthetische Schutzanstriche ersetzt werden. Halb so gut und doppelt so teuer wie Teer.
Es ist immer wieder beeindruckend, mit welcher Routine, Präzision und Selbstverständlichkeit die Arbeiter «unserer» Werft ein 48-Tonnen-Schiff aufs Trockene ziehen. Während unser Schiff mit dem neuen Farbanstrich versehen wird, benützen wir die Gelegenheit zu einigen kosmetischen Farbaufträgen.
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Nur hinter vorgehaltener Hand wollen wir hier erwähnen, dass wir auf den letzten 50 Kilometern unserer Fahrt von Gouda auf die Werft einige Ölflecken auf dem Wasser hinterlassen haben. Glücklicherweise ist Provinz Südholland die Walhalla des europäischen Schiffsbaus. Innert Stunden erscheint ein DAF-Spezialist in der Werft, untersucht unseren Schiffsdiesel und diagnostiziert nach einem Drucktest ein Leck im Ölkühler. Wo in Europa ist ein Ölkühler für einen DAF 825 einfach so an Lager? Die Frage ist rhetorisch, denn am folgenden Tag erscheint der DAF-Spezialist mit einem nigelnagelneuen Ölkühler unter dem Arm, montiert und testet ihn und gibt Kinette nach dem Wechsel des Öls und der Ölfilter zum Auslaufen frei.
So gerüstet, können wir die Fahrsaison unbeschwert in Angriff nehmen. Bis zum DBA-Treffen in Namur wollen wir geruhsam den blühenden Tulpenfeldern entlang bummeln. Und davon werden wir das nächste Mal berichten.
Aus dem Logbuch
- Ouderkerk aan de Amstel. Von Amsterdam herkommend direkt nach der Hebebrücke auf Steuerbord Quai ca. 60 m mit Pollern. 3 x 24 Stunden gratis Liegemöglichkeit. Keine Einrichtungen. Weitere Liegemöglichkeit auf der anderen Seite der Amstel beim Supermarkt «Plus». Beim ersten Liegeplatz nebeneinander 4 Restaurants. Im «’t Deurtje» sehr gepflegte, aber nicht billige Küche. Alle Einkaaufsmöglichkeiten. Montag viele Geschäfte geschlossen.
- Gouda. In der Turfsingelgracht links und rechts Liegeplätze, teilweise mit Wasser und Strom. In der Kattensingelgracht Liegemöglichkeiten für Schiffe unter 12 m und unter 12 Tonnen. Kostenpflichtig. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Markt am Donnerstag und am Samstag. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten: Sint Janskerk mit den grössten und schönsten Kirchenfenstern, welche seit dem Mittelalter alle Stürme der Zeit überstanden haben. Das Widerstandsmuseum ist ebenfalls einen Besuch wert.
Hallo!
Ich bin beim Surfen auf eure Homepage gekommen, eine schöne und informative Seite haben Sie ins Netz gestellt, da kommt man gern mal zu Besuch. Weiterhin viel Erfolg.