Gouda – Leiden – Haarlem – Alkmaar
(Gouwe, Oude Rijn, Zijl, Ringvaart van de Haarlemmermeerpolder, Spaarne, Noordzeekanaal, Zaan; 111 km, 3 Schleusen, 32 Dreh- und Hebebrücken)
Den Hafen von Leiden haben wir während unseres Wintertörns vor etwas über einem Jahr angelaufen (Bericht Nr. 62). Es ist dreizehn Monate später, nicht viel anders, nur sehr viel wärmer. Aber auch jetzt ist der Verkehr auf dem Wasser bescheiden und erst ein paar ganz unverdrossene Mietböötler sind unterwegs. Leiden steuern wir an, weil wir von hier aus bequem mit dem Bus in den den Keukenhof fahren können.
Dirk Sievers beschreibt den Keukenhof in seinem Reiseführer «Niederlande» so:
«Auf 32 Hektaren präsentieren Hollands Blumenzüchter einen Querschnitt ihres Könnens, ein blühendes Schaufenster niederländischer Blumenzucht.
Die von den «Hoflieferanten» zur Verfügung gestellten Zwiebeln, jährlich mehr als sieben Millionen Stück, werden in drei Schichten übereinander gepflanzt: oben die Frühblüher, unten die Spätblüher. Auf diese Weise wird ein zweimonatiges Farbspektakel gewährleistet, aufgelockert von kleinen Seen, die für weitere Farbtupfer sorgen, und Skulpturen, die den Park bevölkern.»
Damit hat Dirk Sievers sicher recht. Aber er hat vergessen beizufügen, dass man im Keukenhof nicht unbedingt allein ist. Gefühlte 50’000 Besucher schieben sich an diesem Tag durch die weitläufigen Parkanlagen, vor den Toiletten findet man sich in einer Warteschlange von rund 100 Metern und die Fütterung der Massen ist trotz der üblichen niederländischen Effizienz eine weitere Geduldsprobe. Wir haben das irgendwie geahnt und sind bereits frühmorgens zum Keukenhof gepilgert. Bis 11 Uhr verteilen sich die wenigen Besucher unauffällig über das Gelände und wir geniessen die Blumenpracht in vollen Zügen.
Aber nachher fühlt man sich, um es mal so auszudrücken, nicht mehr so einsam. Man teilt seine Erlebnisse und Eindrücke mit einer dichten Menschenmasse.
Irgendwann einmal klinkt Christian aus und macht Besucherstudien statt Blumenstudien. Ist auch sehr unterhaltsam…
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Nach all den Tulpen und Touristen eine kleine Auflockerung:
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Von Leiden fahren wir zu den Kager Plassen, einem hübschen Seengebiet mit Anker- und Anlegemöglichkeiten in der freien Natur. Mit diesem Gebiet verbinden uns geradezu wehmütige Erinnerungen, denn hier machten wir vor ziemlich genau sechs Jahren unsere ersten Fahrversuche mit Kinette.
Als wir im Vorfrühling des letzten Jahres unsere Winterreise unternahmen, fuhren wir hier vorbei. Es war schlicht zu kalt, um hier zu liegen. Denn viel andere Möglichkeiten als in der Sonne zu faulenzen gibt es hier nicht.
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Wie im März 2010 befahren wir die sogenannte Ringfahrt des Haarlemmermeerpolders und laufen Haarlem an. Damals blühten die Tulpen noch nicht. Jetzt, Mitte April, stehen die Narzissen-, Hyazinthen- und Tulpenfelder im «bollenstreek», im Tulpenzwiebelgebiet, in voller Blüte und der Duft ist betäubend, bis ins Steuerhaus hinein.
Vor uns fährt das Binnenschiff «Merwede» aus Werkendam. Wir haben uns unterwegs über Funk verständigt, dass es uns, obwohl gleich schnell wie wir, überholt, weil die Brücken für die Berufsfahrt viel zügiger geöffnet werden als für die Freizeitschifffahrt. Das zahlt sich vor allem bei den zahlreichen Brücken auf der Fahrt durch Haarlem aus, weil Freizeitschiffe in der Regel die Stadt in einem Konvoi passieren müssen, damit der Motorfahrzeug-, Fahrrad- und Fussgängerstrom nicht ständig unterbrochen werden muss.
Wie damals liegen wir wieder am Holzmarkt, an einem ruhigen Holzsteg in der Vissersbocht, in Sichtweite der pittoresken Gravestenerbrug.
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Es ist entschieden kein Museumswetter, ein warmer und schöner Tag reiht sich an den anderen.
Wir holen im Verkehrsverein eine Fahrradkarte und machen während der Woche, die wir in Haarlem liegen, ausgedehnte Velotouren an die See, zu den Tulpenfeldern rund um Lisse und Hillegom und in den nahegelegenen Nationalpark Kennemerland, wo frei lebende Wildpferdchen und schottische Hochlandrinder dafür sorgen, dass die Wälder nicht verbuschen.
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In Haarlem treffen wir Heinz und Bernadette Gubler, die sich ihren Traum vom Schiff vor einem Jahr erfüllten und jetzt mit ihrer imposanten «Dagens 2» vorerst einmal die Niederlande befahren.
Christian interviewt das sympathische Berner Paar für seine Artikelreihe «Paare auf dem Wasser», die jeweils im schweizerischen «Schleusenschiffer» erscheint.
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Im Vergleich zum letzten Mal, im März 2010, ist jetzt wesentlich mehr los auf dem Wasser, insbesondere über Ostern.
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Nach einer Woche in Haarlem fahren wir weiter nördlich. Unser Ziel ist Alkmaar in der Provinz Nord-Holland, im nordwestlichen Teil des Landes. Die Fahrt dorthin führt uns über den Nordseekanal und wir schnuppern auf dieser Grossschifffahrtsstrasse den Duft der grossen, weiten Welt.
Auf der Fahrt nach Alkmaar passieren wir die Wilhelmina-Schleuse, die Beatrix-, die Prinz Bernhard-, die Juliana- und schliesslich die Prinz Willem Alexander-Brücke. Nur schon daraus ersieht man den Nutzen einer Monarchie und einer weitläufigen Königsfamilie mit vielen, vielen Prinzen und Prinzessinnen.
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Alkmaar ist wegen seines allwöchentlich stattfindenden Käsemarktes – der heute nur noch ein reines Folklorespektakel ist – eine Touristenattraktion ersten Ranges. Für die Niederländer hat Alkmaar einen hohen symbolischen Stellenwert. 1573 fluteten die Alkmaarer die Umgebung ihres befestigten Städtchens, zwangen so die wegen ihrer katholischen Schreckensherrschaft verhassten Spanier zur Aufgabe ihrer Belagerung und leiteten damit deren Niederlage ein.
Als Belohnung für ihre Heldentat erhielten die Alkmaarer das Waagrecht, wovon noch heute die Inschrift «S.P.Q.A. RESTITUIT VIRTUS ABLATAE JURA BILANCIS» am imposanten Waage-Gebäude am Käsemarkt kündet: «Tapferkeit gaben Senat und Volk von Alkmaar das entzogene Waagerecht zurück.»
Seit 1622 wird auf dem Käsemarkt jeden Freitag Käse gehandelt, heute jedoch wie gesagt nur noch als Touristenshow. Immerhin sind die Käselaibe echt und die in Gilden organisierten Käseträger, an ihren unterschiedlich farbigen Hüten erkennbar, leisten Schwerarbeit, wenn sie in seltsam wiegendem Trab die mit jeweils acht Käselaiben beladenen Tragen über den Platz transportieren.
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Die alten Häuser von Alkmaar halten auch hübsche Details bereit – wenn man sich die Zeit für solche Entdeckungen nimmt. So findet man beispielsweise am Rathaus von Alkmaar einen wehrhaften Löwen mit dem Alkmaarer Wappen.
Gleich zwei solcher Löwen schmücken den Giebel des 1707 erbauten Hauses «Zur Löwenburg». Allerdings wenden sie dem Alkmaarer Wappen ziemlich unfreundlich ihren Hintern zu. Der damalige Bauherr protestierte damit gegen die seiner Ansicht nach übermässige Behandlungszeit seines Baugesuchs sowie gegen die ungerechtfertigten Änderungen, welche der Stadtarchitekt an seinen Bauzeichnungen angebracht hatte. Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
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Auch von Alkmaar aus unternehmen wir ausgedehnte Velotouren in die nahegelegenen Naturschutzgebiete in der imposanten Dünenlandschaft.
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Zum Schluss noch ein Tipp: Wenn Sie mit Ihrem Schiff einen Liegeplatz gefunden haben und Ihr Landstromkabel auslegen, so verlegen Sie es mit Vorteil so, dass es nicht von Autos beschädigt werden kann. Oder noch schlimmer: Dass ein Auto nach dem Einparken Sie blockiert, indem es sich häuslich auf Ihrem Kabel niederlässt. Solches widerfuhr unserem Schiffsnachbarn mit seiner exklusiven Linssen 40.9.
Wie er sich zum Auslaufen klar machen will, stellt er fest, dass ein Auto auf seinem ziemlich schludrig verlegten Landstromkabel parkiert wurde.
Alles Zerren und Reissen hilft nichts, und Auslaufen unter Hinterlassung eines Landstromkabels im Wert von deutlich über hundert Euro (es ist erkennbar ein Mastervolt-Kabel) ist auch nicht Jedermanns Sache. Unser Nachbar trägt sein Schicksal mit Fassung und wird irgendwann im Laufe des Tages vom zurückkehrenden Automobilisten erlöst.
Aus dem Logbuch
- Leiden. Gemeinde-Passantenhafen. Die Hebebrücken zum Hafen werden vom Hafenmeister-Gebäude aus auf Abstand bedient (auf UKW-Kanal 22 aufrufen). Liegeplatz ca. 1 €/Meter. Wasser und Strom (mit Jetons bezahlen). Quirlige Universitätsstadt mit sehenswerter Altstadt, zahlreiche Grachten. Boerhave-Museum und Siebold-Haus unbedingt besuchen. Donnerstag Abendverkauf, Markt Mittwoch und Samstag 09.00–17.00.
- Haarlem. Gemeinde-Passantenhafen. Verschiedene Liegemöglichkeiten an der Spaarne. Wasser und Elektrisch. Liegegebühren abhängig von der Schiffslänge. Sehenswerte Stadt. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Sehenswerte Museen. Abendverkauf am Donnerstag, Markt am Samstag 09.00–17.00.
- Alkmaar. Verschiedene Liegemöglichkeiten. Beim Einlaufen in Alkmaar fährt man direkt auf den Accijnstoren (Akzisenturm = Steuereintreiberei) zu, legt an der Bierkade an und meldet sich beim Hafenmeister. Ruhig liegt man in der Centrumsgracht. Achtung, grössere Schiffe haben keine Wendemöglichkeit. Also rückwärts durch die Rotorenbrücke! Kostenpflichtig. Elektrisch mit Münzeinwurf. Wasser beim Akzisenturm. Eine der schönsten Altstädte der Niederlande mit engen Ladengässchen. Abendverkauf am Donnerstag, Käsemarkt am Freitag 10.00 bis 12.30, Markt am Samstag. Sonntagsverkauf am 1. Sonntag im Monat.
Sehr geehrte Huber’s
Eine wunderbare Website,die ich seit Beginn an jeden Monat herbeisehne! Gratulation an Sie zwei, dass Sie uns Leser an Ihren Erlebnissen teilhaben lassen. Als vielfacher Mietbootfahrer, können wir einiges was Sie erleben auch nachvollziehen. All die kleinen Erlebnisse, die einem zeigen wie unwichtig
vieles auf der Welt sein kann, wenn man die kleinen Dinge vor lauter, täglicher Informationsflut nicht mehr sieht. Vielleicht ergibt sich mal die Gelegenheit, Sie persönlich anzutreffen! Wer weiss.
Viele weitere schöne Erlebnisse wünschen Ihnen Fam. Bachmann aus Horgen (wenn auch ohne Kanal, dafür ein wunderschöner See vor der Türe!)