Brüssel – Antwerpen – Drimmelen – Biesbosch – Gorinchem
(Zeekanaal Brussel-Schelde, Boven Zeeschelde, Albertkanaal, Schelde-Rijnverbinding, Volkerak, Hollandsch Diep, Amer, Merwede; 7 Schleusen, 8 Hebebrücken; 183 Kilometer)
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Vor dem Auslaufen in Brüssel ist Rechnen angesagt. Wir werden auf dem Seekanal Brüssel-Schelde bis zur Seeschleuse Wintam fahren und von dort auf der Schelde nach Antwerpen. Die Schelde ist ein Gezeitengewässer und es lohnt sich, mit der Strömung anstatt dagegen zu fahren. Am 13. August ist Hochwasser in Antwerpen um 13.48 Uhr. Wenn wir 40 Minuten später aus der Seeschleuse Wintam ausfahren können, haben wir die Strömung mit uns, denn nach der Gezeitentabelle erreicht die Flut Wintam 40 Minuten nach Antwerpen.
Wunderbarerweise stimmt die Rechnung und wir dampfen mit munterer Strömung auf der Schelde nach Antwerpen.
Einzige Liegemöglichkeit für uns in Antwerpen ist das Willemdok. Dieses erreichte man früher nur über die Royersschleuse, wobei man nachher auf die nur zu bestimmten Zeiten bedienten Hebebrücken Londenbrug und Siberiabrug angewiesen war.
Seit kurzer Zeit ist die Kattendijk-Schleuse wieder in Betrieb und sie wird drei Stunden vor und drei Stunden nach Hochwasser bedient. Auf diese Weise gelangt man von der Schelde direkt ins Kattendijkdok und kann sich den Umweg über die Siberiabrug ersparen, vor welcher längere Wartezeiten üblich sind.
Als wir 2009 das letzte Mal im Willemdok lagen, war das «Museum aan de stroom»“ – Museum am Strom – gerade im Bau. Mittlerweile ist es fertiggestellt. Der Besuch ist ein Muss und sei es nur wegen des atemraubenden Ausblicks von der Dachterrasse!
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Wir bleiben eine ganze Woche in Antwerpen. Das gibt uns neben dem üblichen Besichtigungsprogramm Zeit, das «Museum am Strom» und den Antwerpener Zoo zu besuchen. Er ist einer der ältesten zoologischen Gärten Europas, aber nach unserem zugegebenermassen laienhaften Eindruck erfolgt die Tierhaltung nach modernsten Erkenntnissen, wie wir sie aus dem Zürcher Zoo kennen. So werden die Tiere beispielsweise nicht einfach, wie dies früher üblich war, gefüttert. Sie müssen sich ihr Futter „erarbeiten“, also in Verstecken suchen, aus Termitenhügeln herausgrübeln usw.
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Am Morgen des 20. August laufen wir aus dem Willemdok aus und fahren durch den Hafen von Antwerpen in nordwestlicher Richtung zum Albertkanal. Der Hafen ist so riesig, dass wir bei zügiger Fahrt rund anderthalb Stunden benötigen, bis wir das Hafengelände hinter uns haben.
Unser Ziel ist Drimmelen in Nord-Brabant, am Fluss Amer, eine Fahrt von rund 100 Kilometern. Wenn man die beiden Hebebrücken im Hafen von Antwerpen, die Londenbrug und die Siberiabrug, sowie im niederländischen Zeeland die beiden grossen Schleusen Kreekrak und Volkerak ohne Wartezeiten passieren kann, ist das in einem Tag zu schaffen.
Drimmelen ist ein grosser Jachthafen, eine regelrechte Marina, mit insgesamt 1400 Liegeplätzen, wo chromstahlglänzende Millionenboote vor sich hindümpeln. Wir passen dort hinein wie ein Hürlimann-Traktor ins Schaufenster des Ferrari-Händlers, aber die Hafenmeisterin hat Freude an uns (wir waren schon 2009 einmal hier und sind sogar noch im Computer) und die wenigen anwesenden Hobbykapitäne (was wir, unter uns gesagt, ja auch sind, einfach mit etwas mehr Fahrerfahrung als der Durchschnitt und einem etwas grösseren Schiff) betrachten uns mit distanzierter Neugier.
Wie weit bei uns der Neidfaktor mitspielt, wissen wir nicht genau. Schon etwas, aber nicht allzu sehr. Zu viele Millionenjachteigner haben uns schon hinter vorgehaltener Hand anvertraut, ein Schiff wie das unsrige und das Leben auf dem Wasser wäre ja auch ihr Traum, aber die Gattin… Aber grossen Unterhaltungswert haben sie schon, die Hobbykapitäne. Da wird stundenlang das Schiff (mit Trinkwasser) gewaschen und dann gepützelt und geglänzt. Schiffe bis 15 Meter Länge darf man in Belgien und den Niederlanden ohne Fahrausweis führen. Das erklärt Einiges.
Wenn wir von Unterhaltungswert sprechen, so meinen wir auch die An- und Ablegemanöver, die selbst unter ausgiebigem Einsatz von Bug- und Heckstrahlruder gelegentlich recht abenteuerlich aussehen. Die Abkürzung KNMC für den vornehmen Königlich Niederländischen Motorboot Club wird spöttisch auch als «Kann Nicht Manövrieren Club» gedeutet. Aber wir wollen keine Vorurteile pflegen – es gibt auch unter Eignern grosser und teurer Motorboote nicht nur fähige Kapitäne, sondern auch sehr nette und sehr hilfsbereite Menschen.
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Unsere nächste Station nach dem Nationalpark Biesbosch, wo wir (wieder einmal) vor Anker gingen, wäre eigentlich der Lingehaven in Gorinchem gewesen. «Wäre» und «eigentlich». Die Stadtgracht, wo wir anlegen wollen, ist wegen eines Drachenbootrennens für zwei Tage gesperrt.
Also müssen wir improvisieren und legen dort an, wo eine unübersehbare Tafel verkündet, Anlegen sei verboten. Man muss nicht immer alles so wörtlich nehmen!
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Aus dem Logbuch
- Antwerpen (Boven Zeeschelde). Jachthaven Willemdok. Alle Einrichtungen eines guten und gepflegten Jachthafens. Kostenpflichtig (Wochen- und Monatsrabatt). Sicher: Zutritt nur mit Badge. Rabatt ab einer Woche Liegezeit. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Zwei Schiffsausrüster (eher auf Jachten ausgerichtet) ganz in der Nähe.
- Drimmelen (Amer). Die Biesbosch Marina Drimmelen ist ein gut ausgestatteter, moderner und entsprechend teurer Jachthafen in voller Entwicklung mit allen entsprechenden Einrichtungen inkl. WiFi sowie Abpumpstationen für Schwarz- und Bilgenwasser. Alle Einkaufsmöglichkeiten im 4 km entfernten Dorf Made.
- Gorinchem. Hafen für Jachten erreichbar durch die Jachtschleuse. Längere Schiffe können in der Stadtgracht liegen, welche von Norden her zugänglich ist. Kostenpflichtig Alle Einrichtungen. Strom, Wasser, Waschmaschine., Tumbler mit Münzeinwurf. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Hübsche mittelalterliche Kleinstadt mit Museum, Kino, Theater. Restaurantempfehlung: «Merwezicht», hervorragende französisch inspirierte Küche, nur Saisonprodukte.