Meerkerk – Rotterdam – Delft – Leiden – Haarlem – Amsterdam – Leerdam
(Merwedekanaal, Merwede, Nieuwe Maas, Schie, Schie-Rijnkanaal, Zijl, Spaarne, Noordzeekanaal, Buiten IJ, Nieuwe Vaart, Amsterdam-Rijnkanaal, Linge; 232.5 km; 6 Schleusen, 54 Dreh- und Hebebrücken)
In Meerkerk liegt eine neue, gepflegte Luxemotor am Quai. Das wäre keine Erwähnung wert, wohl aber die Schweizerflagge am Heck. Dass wir schon bald zusammensitzen, ist selbstverständlich. Christian Würgler und Theres Christen sind seit Mai 2012 mit ihrer «Fenna» unterwegs.
Nach einem gemütlichen gemeinsamen Abendessen laufen wir am nächsten Morgen gemeinsam aus. Zumindest bis Dordrecht fahren wir die gleiche Strecke. Dort werden Christian und Theres in den gleichen Hafen einlaufen, in welchem wir ein paar Tage zuvor lagen. Heute fahren wir nach Rotterdam weiter, wo wir unsere langjährigen Freunde Nell und Frits van Geijtenbeek mit ihrer «Shell V» treffen werden. Mit ihnen wollen wir die Städte Delft, Leiden, Haarlem und Amsterdam anlaufen, bevor wir unser Winterquartier beziehen.
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Rotterdam ist jedes Mal ein Erlebnis. Nicht nur wegen des regen Schiffsverkehrs, sondern auch wegen seiner eindrücklichen Skyline.
Die Stadt wurde zu Beginn des Zweiten Weltkrieges praktisch vollständig zerstört und der Wiederaufbau ist bis heute noch nicht vollständig abgeschlossen.
Eigentlich wollten wir im Veerhaven anlegen, aber dort liegen historische Segelschiffe, welche an einer Regatta teilnehmen. Wir finden dafür einen Liegeplatz im Museumshafen, wo wir uns nicht minder wohl fühlen.
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In Delft fällt uns ein Haus auf, das zwar sehr schmal ist, schmaler als alle anderen, aber dennoch zwei Türen hat. Es sei das kleinste Haus in Delft, sagt man uns. Von einem Einheimischen erfahren wir, welche Bewandtnis es damit hat. Hier wohnte von 1558 bis 1595 ein gewisser Pieter van Foreest. Er war nicht nur Stadtarzt, sondern auch Leibarzt des 1584 ermordeten Prinzen Willem van Oranje. Dieser hätte es als Zumutung empfunden, wenn er die gleiche Türe wie das gewöhnliche Volk hätte benützen müssen, weshalb für den Prinzen eine eigene Türe gemacht wurde. Hoheit waren offensichtlich standesbewusst.
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In Leiden machen wir nur einen kurzen Zwischenhalt, weil wir an unserer nächsten Destination, Haarlem, der Hauptstadt der Provinz Noord-Holland, zwei Tage bleiben wollen. Im Teyler-Museum soll eine aussergewöhnliche Raffael-Ausstellung zu sehen sein, die wir uns nicht entgehen lassen wollen.
Obwohl zwischen Leiden und Haarlem insgesamt 12 Brücken für uns gehoben werden müssen, kommen wir zügig voran. Es sind nur wenig Berufsschiffe und praktisch keine Freizeitboote unterwegs. Dafür verwöhnt uns das Wetter, wir geniessen einen bilderbuchmässigen Altweibersommer.
Die Raffael-Ausstellung übertrifft unsere kühnsten Erwartungen. Gezeigt werden Raffaels Skizzen und Studien zu den Gemälden, welche dann im Atelier von seinen Schülern gemalt wurden. Inwieweit Raffael selbst die Bilder malte, ist unklar. Sicher aber stammen alle Skizzen, Studien und Entwürfe von seiner Hand.
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Nach zwei Tagen laufen wir aus Haarlem aus, passieren die Spaarneschleuse und fahren auf dem Noordzeekanaal nach Amsterdam. Wir hätten von Haarlem aus auch auf der Ringvaart van de Haarlemmermeerpolder nach Amsterdam fahren können, wären dann ans Nieuwe Meer gekommen und hätten dann auf der sogenannten Route A, auf der Kostverloren Vaart, Amsterdam durchqueren können. Weil wir aber – zugunsten eines längeren Aufenthalts in Amsterdam – schnell vorwärts kommen wollen, wählen wir die direkte Route über den Noordzeekanaal.
Hier herrscht wieder Grossbetrieb und selbst ein Tragflügelboot braust mit knapp 50 km/h an uns vorbei.
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Für Schiffe unserer Grösse in Amsterdam einen Liegeplatz zu finden, ist nicht einfach. Die Behörden haben offensichtlich eine Heidenangst, dass sich Leute mit ihren Wohnschiffen in einer der zahllosen Grachten «wild» niederlassen und es dann, bis alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind, Jahre dauert, bis man sie los wird. Aber unsere holländischen Freunde kennen einen Liegeplatz, wo wir unbehelligt und ganz legal vier Tage bleiben können.
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Amsterdam ist nicht nur Kinettes Heimathafen sowie unser Wohnsitz in den Niederlanden, sondern hier hat Christian seinerzeit als Jugendlicher bei einer befreundeten Familie jeweils seine Ferien verbracht.
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Kromhout-Motoren sind unter Schiffskennern ein Begriff. Die wunderschöne «Kabeljauw», die auf unserer Homepage zum Verkauf angeboten (und auch über unsere Homepage verkauft) wurde, hat übrigens einen Kromhout-Motor. Ein Besuch im Kromhout-Museum ist deshalb für die beiden Kapitäne Christian und Frits sozusagen Pflicht.
Vor allem, weil dieses von angefressenen Freiwilligen betriebene Museum über zahlreiche alte Schiffsmotoren verfügt, die alle betriebsbereit sind und an Dienstagen, wenn das Museum geöffnet ist, in Gang gesetzt werden.
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Auch wenn es kaum zu glauben ist, so lebt der Mensch nicht von Schiffsmotoren allein und so benützen wir unseren Amsterdamer Aufenthalt für einen Besuch der beiden Ausstellungen «Van Gogh» und «Impressionisten», welche in der Hermitage gezeigt werden. Die beiden Ausstellungen allein wären schon einen Besuch in Amsterdam wert!
Dass das Schifffahrtsmuseum nach jahrelangen Restaurierungsarbeiten wieder geöffnet ist, nehmen wir als Zugabe gerne entgegen.
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Nach vier Tagen heisst es Abschied nehmen von Amsterdam. Für die Fahrt zurück nach Meerkerk gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die Vecht als idyllischer Feldweg sozusagen, die Amstel als wenig befahrene Strasse und, um beim Bild zu bleiben, der Amsterdam-Rheinkanal als Autobahn. Wir sind lieber einen Tag länger in Amsterdam geblieben und wählen deshalb die Autobahn.
Die rund 54 Kilometer legen wir in etwas über vier Stunden zurück. Hier ist höchste Konzentration angesagt, denn die zugelassene Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h und die grossen Brocken, die mehrere tausend Tonnen Fracht transportieren, kommen auch mit dieser Geschwindigkeit daher. Nach hinten aufzupassen ist beinahe wichtiger als nach vorne. Aber alles geht gut und nach sechs Stunden Fahrt laufen wir in Meerkerk ein.
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Weil wir ein paar Tage Vorsprung auf unsere Reiseplanung haben, machen wir noch einen Abstecher nach Leerdam. Dieses Städtchen ist in der Schweiz hauptsächlich wegen des Leerdamer Käses bekannt. Allerdings wird dieser für unsere Begriffe ziemlich nichtssagende Käse reichlich industriell hergestellt. Hingegen ist Leerdam als Zentrum der Glasbläserei für die Niederlande das, was Hergiswil für die Schweiz.
Die Kunst des Glasblasens wurde seinerzeit von böhmischen Handwerkern nach Leerdam gebracht, wo es zu höchster Blüte entwickelt wurde.
Noch heute gehört ein Aufenthalt in einer Leerdamer Glasbläserei ins Curriculum vitae junger böhmischer Glasbläser. Daneben wird in einer Glasfabrik auch industriell Glas hergestellt.
Der Abstecher nach Leerdam lohnt sich übrigens auch nautisch, weil man die Linge befährt, einen beinahe strömungslosen Fluss, der sich in weiten Bögen durch die Betuwe, den Obstgarten der Niederlande schlängelt. Links und rechts säumen dichte Schilfbestände, kurz geschnittene Weiden, Obstbaum-Kulturen und Auenwälder den Fluss.
Von hier aus laufen wir unser Winterquartier an, womit das achte Jahr, da wir unterwegs sind, seinen Abschluss findet.
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Und wie sieht die Statistik für dieses Jahr aus? Wir haben insgesamt 1708 Kilometer zurückgelegt, wir haben 245 Schleusen sowie 102 Dreh- und Hebebrücken, 2 Schiffslifte und 2 Tunnels passiert. Nicht in der Statistik erscheinen die zahllosen grossartigen Erlebnisse und die vielen Begegnungen mit interessanten Menschen und ihren Schiffen unterwegs. Von diesen Begegnungen werden wir in der Winterpause auf unserer Homepage berichten.
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Aus dem Logbuch
- Rotterdam. Liegemöglichkeiten für grössere Schiffe im Veerhaven (Eingang markiert mit Positionslichtern) und in «Het Havenmuseum» (Museumshafen, Durchfahrt unter Boerengatbrug und Oostbrug, VHF 20. Achtung bei starker Gezeitenströmung! Heikle Einfahrt! Gegen die Strömung einfädeln!). Beide Häfen mit allen Einrichtungen. Kostenpflichtig. Rotterdam hat alle Einkaufsmöglichkeiten und zahlreiche Museen (natürlich ist das Schifffahrtsmuseum ein absolutes Muss!).
- Delft. Liegemöglichkeit im Zuidkolk an Schwimmsteg. Wasser und Elektrisch. Kostenpflichtig. Laut, Baustelle, Verkehr, unfreundliche Hafenaufsicht. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Markt am Donnerstag. Jan Vermeer-Museum, Porzellanmuseum «Königliche Porzellanmanufaktur», Museum im Prinsenhof.
- Leiden. Liegemöglichkeit im Passantenhaven. Wasser und Elektrisch (mit Jetons à 0.75 Euro, die aber nicht sehr viel hergeben!). Alle Einkaufsmöglichkeiten. Zehn Museen, wovon drei zu den besten des Landes zählen: Lakenhal, Rijksmuseum voor Oudheden, Museum für Völkerkunde.
- Haarlem. Liegemöglichkeiten längs der Spaarne mit Elektrisch (16 Amp) und Wasser. Kostenpflichtig. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Unbedingt besuchen: Frans Hals-Museum und Teyler-Museum.
- Amsterdam. Liegemöglichkeit für Boote <15 m im Sixhaven. Grössere Schiffe müssen improvisieren: Westerdok, Nieuwe Vaart oder Amstelschutsluis. Sonst etwas ausserhalb von Amsterdam im Nieuwe Meer, im Nieuwe Diep oder in Diemen mit guter öV-Verbindung nach Amsterdam Zentrum. Unzählige Museen, unzählige Einkaufsmöglichkeiten, unzählige Märkte.
- Leerdam. Liegemöglichkeit an der Stadtmauer während 3 Stunden, von 17.00 bis 10.00 Uhr 0.80 Euro/Meter. Keine Einrichtungen. Jachtgafen «de oude Hoorn». Gegenüber Stadtmauer oder am Aussenquai an der Linge. Elektrisch (10 Amp) und Wasser. Kostenpflichtig. Alle Einkaufsmöglichkeiten. Kleiner Markt am Samstag. Sehenswürdigkeiten: Glasbläserei mit Zuschauertribüne, Nationales Glasmuseum und Museum «Hofje van Aerden».
Hallo
eure Reiseberichte sind wirklich wunderbar!
Ich reise jeweils verzögert mit euch . . .
Nun hätte ich, da jetzt ja die langen Wintermonate kommen, noch einen (leider nicht bescheidenen) Wunsch:
Ich wünsche mir ein Inhaltsverzeichnis in Form eines Registers.
zB.:
– Schiffsarbeiten in Werft sowiso – Bericht xy
– Hebewerk A – Bericht yz
– Kanal A-B – Bericht ..
so oder ähnlich. . .
Dadurch würde ein richtiges Nachschlagewerk entstehen 🙂
Naja, schon etwas viel verlangt.
Schönen Winter und schiffige Grüsse
rolf
Gerhard und IngridHallo liebe Kinette-Crew Chris und Charlotte,
wir leben an der Donau in Österreich und sind ebenso „wasserverliebt“ wie Ihr. Durch Zufall sind wir auf Eure extrem interessante und informative Website gelangt. Wir haben unseren Liegeplatz an der Donau verloren und unser Schiff überwintert zur Zeit in Weesp in der Nähe Amsterdam. Nun suchen wir einen Platz für den nächsten Winter in Frankreich.
Vor Jahren haben wir schon von anderen Bootsfahrern von dem Hafen in Roanne gehört. Er würde sehr gut in unsere Pläne passen. Unsere Frage: Unser Französisch ist sehr sehr mager, aber englisch können wir uns sehr gut verständigen. Wie können wir mit der Hafenmeisterei Kontakt aufnehmen. Wir möchten das Schiff dort einige Monate allein lassen.
Nun zu unserem Schiff. Ich habe 1990 einen leeren Stahlrumpf Bj 1930 gekauft und ihn in 4jähriger Arbeit selbst ausgebaut.(Stahl) Wir sind damit schon auf vielen europäischen Gewässern von der Ostsee bis zum Mittelmeer gefahren.
Abmessung, 15 m lang, 2,80 m breit und 1.10 Tiefgang.
Es wäre schön, wenn Ihr uns bezüglich Roanne weiterhelfen könnt. (eventuell auch Preise?)
Danke und
liebe Grüße von der Donau
von der „RANNA“ Crew
Gerhard und Ingrid
Für Auskünfte und Reservationen in deutscher Sprache betr. den Hafen von Roanne siehe http://port-de-roanne.fr/de/