Neustrelitz – Wolfsbruch – Rheinsberg – Ziernsee – Fürstenberg –
Lychen – Templin
(Neustrelitzer Gewässer, Rheinsberger Gewässer, Mecklenburgische Kleinseenplatte, Lychener Gewässer, Obere Havel, Templiner Gewässer; 140 Kilometer, 15 Schleusen)
Verwendete Unterlagen:
Digitale Version von: Mecklenburgische Seenplatte, Binnenkarten Atlas 2, Verlag Kartenwerft, Flensburg 2013; Robert Tremmel: Mecklenburg, Brandenburg, Hafenführer für Hausboote, Berlin 2014
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Der Herbst kündigt sich auf dreifache Weise an. Erstens sammeln sich die Schwalben, um nach Süden zu ziehen. Mangels Telefondrähten oder Stromleitungen haben sie sich auf den Relings der Yachten im Hafen niedergelassen. Zweitens verfärben sich die Blätter, hier an der Stadtmauer von Templin und drittens liegt zu Beginn des Tages immer ein herbstlicher Nebel über dem Wasser, der sich nach und nach auflöst.
Zu den angenehmen Begleiterscheinungen des Herbstes gehört, dass es still wird auf dem Wasser. Nur noch ein paar Unentwegte sind mit Mietbooten unterwegs, darunter einige Schweizer Familien, die so ihre Herbstferien verbringen.
In den Häfen ist reichlich Platz und die Hafenmeister sind einer Diskussion über die Höhe des Liegegeldes meistens durchaus zugänglich.
In Deutschland beträgt das Liegegeld in der Regel zwischen 1.00 € und 1.80 € pro Laufmeter Schiff. Je nachdem sind Strom und Wasser nicht inbegriffen und müssen separat bezahlt werden. Bei 22 Meter Schiffslänge lohnt sich Verhandeln allemal.
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Wir haben unseren letzten Bericht in Neustrelitz beendet. Mit dem Zierker See, an welchem Neustrelitz liegt, enden die Neustrelitzer Gewässer. Zurück Richtung Havel geht es auf dem Kammerkanal sowie mehreren Seen und Verbindungskanälen nach Westen. Unser Ziel ist Rheinsberg. Mit an Bord sind unsere treuen Freunde Christina und Kuno Müller mit Lara, welche uns jedes Jahr im Herbst eine Woche begleiten.
Auf der Fahrt nach Rheinsberg machen wir Halt in der Marina Wolfsbruch am Hüttenkanal. Der Hüttenkanal verbindet die Rheinsberger Gewässer mit der Müritz-Havel-Seenkette. Die Marina gehört zu einem grossen Komplex mit Best Western Hotel, Charterbasis für Mietboote und Feriendorf.
Bereits am nächsten Tag geht es weiter nach Rheinsberg. Im dortigen Stadthafen, der von der Reederei Halbeck betrieben wird, hätte es zwar einen Längssteg, an welchem wir anlegen könnten. Könnten – aber die Hafenbetreiber verdienen mehr Geld, wenn sie eine Mietyacht neben der anderen mit dem Heck am Längssteg parkieren lassen. Kann man ja irgendwie nachvollziehen.
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Unser Kollege Urs Baumgartner vom Schleusenschifferklub hat uns freundlicherweise die Adresse des Rudervereins Rheinsberg 1910 e.V. gegeben, die hätten einen 30 m langen soliden Steg. Tatsächlich werden wir dort mit offenen Armen empfangen.
Wir sind jetzt im Ruppiner Land, welches zu Brandenburg und nicht mehr zu Mecklenburg-Vorpommern gehört. Rheinsberg ist bekannt wegen seines Schlosses, wo Friedrich der Grosse als Kronprinz nach eigenem Bekunden seine glücklichsten Jahre verlebte.
Theodor Fontane beschrieb um 1860, wie er – damals noch per Kutsche auf holprigen Strassen – in Rheinsberg einfuhr: «Hier halten wir vor einem reizende gelegenen Gasthofe, der noch den Namen der ‹Ratskeller› führt, und da die Turmuhr eben erst zwölf schlägt und unser guter Appetit entschieden der Ansicht ist, dass das Rheinsberger Schloss all seines Zaubers unerachtet doch am Ende kein Zauber-schloss sein werde, so beschliessen wir, vor unserem Besuch ein solennes Frühstück einzunehmen und gewissenhaft zu probieren, ob der Ratskeller seinem Namen Ehre mache oder nicht. Er tut es.»
Den Ratskeller gibt es noch, am Triangelplatz, inmitten der geschlossenen barocken Stadtanlage, von welcher unser DuMont-Reise-Taschenbuch sagt: «Die einheitliche Bebauung in rechtwinkligen Strassenkarrees ist als Ensemble noch weitgehend erhalten und stellt ein einmaliges Zeugnis friderizianischer Stadtplanung dar.» Auch heute, 150 Jahre nach Theodor Fontane, ist man im «Ratskeller» kulinarisch gut aufgehoben.
1912, fünfzig Jahre nach Theodor Fontane, schrieb Kurt Tucholsky die Erzählung «Rheinsberg, ein Bilderbuch für Verliebte» und machte damit Rheinsberg zu einem Stück Weltliteratur. In dieser hübschen Erzählung verbringt ein unverheiratetes Liebespaar drei unbeschwerte Tage rund um Schloss Rheinsberg und auf Bootspartien. Einen Besuch wert ist natürlich das Schloss sowie das Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum.
In keinem Reiseführer zu finden ist der 83jährige Pariser Kupferstecher und Holzbildhauer Tony Torrilhon, der seit vielen Jahren in Rheinsberg lebt und sein Atelier an der Schlossstrasse hat. Wir sind auf den Künstler wegen seiner am Hafen aufgestellten, ausgesprochen witzigen Holzskulpturen aufmerksam geworden.
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Von Rheinsberg aus geht es Richtung Osten nach Fürstenberg. Weil wir es gemütlich nehmen wollen, machen wir zwei Tage daran, obwohl man die 37 Kilometer lange Strecke mit den vier Schleusen locker in einem Tag bewältigen könnte. Unterwegs ankern wir beim Schilfgürtel ganz im Norden des Ziernsees. Wir sind völlig für uns allein, umgeben nur von Schilf, Wald und Wasser.
Es bläst eine steife Bise und der Ankergrund ist ziemlich verkrautet, sodass wir reichlich Kette geben. Zudem setzen wir nach dem Ankern etwas zurück und vergewissern uns, dass sich der Anker eingegraben hat. So schläft es sich einfach ruhiger!
Wie wir am nächsten Tag das Manöver «Anker auf» fahren, können wir den Anker vor lauter Seegras kaum mehr sehen…
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Fürstenberg liegt als südliches Tor zur mecklenburgischen Kleinseenplatte zwischen dem Schwedtsee, dem Balensee und dem Röblinsee. Es verfügt über mehrere gut ausgestattete Yachthäfen – aber in der Stadt blättert der Lack vom einstigen Glanz ab. Viele Häuser sind verkommen und in so schlechtem Zustand, dass sie nicht mehr betreten werden dürfen. Offensichtlich gehört Fürstenberg zu den Verlierern der Wende, wie auch Lychen, von welchem noch die Rede sein wird.
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Von Fürstenberg aus sind es nur knapp 14 Kilometer in nordöstlicher Richtung bis zu dem 1248 gegründeten Städtchen Lychen. Die Fahrt dorthin ist wunderschön, auch wenn eine Haarnadelkurve auf dem Flüsschen Woblitz kurz vor Lychen Christians Steuerkunst ziemlich fordert. Nicht umsonst ist hier ein Begegnungsverbot signalisiert!
Auch Lychen hatte seine besseren Zeiten vor der Wende, als jährlich rund 30’000 Urlauber hier ihre Ferien verbrachten. In der DDR organisierten die volkseigenen Betriebe und Industriekombinate auch die Ferien für die Werktätigen in grossen Ferienheimen, Lagern und Kolonien. Nach der Wende machten die neuen Bundesbürger Gebrauch von ihren neuen Freiheiten, darunter auch der Reisefreiheit, und der Ferientourismus brach auf 3’000 Besucher jährlich ein.
Lohnt sich der Abstecher nach Lychen? Nautisch ja, kulturell nein. Die Lychener Gewässer sind wunderschön, in der Weichseleiszeit geformte Seen, ruhig und idyllisch, die Ufer unverbaut und das Wasser sehr sauber.
In Lychen selbst sind die Häuser direkt am Wasser zumeist liebevoll renoviert. Ein Flössereimuseum erzählt die Geschichte der wichtigsten, aber seit 1975 versiegten Erwerbsquelle von Lychen. Im Städtchen selbst sind viele Gebäude in sehr schlechtem Zustand. Auf den Bänken sitzen graugesichtige Rentner in grauen Kleidern, vor sich ihre Rollatoren, und warten auf irgendetwas, was nicht eintrifft.
Immerhin sichten wir in Lychen ein Wassergefährt, welches man am ehesten mit «schwimmender Biergarten» beschreiben könnte und welches sich nahtlos in unsere Sammlung kurioser Wassergefährte einreiht, von der wir im Bericht 103 ein paar Kostproben gezeigt haben.
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Wenn wir schon Abstecher in die Neustrelitzer, die Rheinsberger und die Lychener Gewässer machen, so gehört ein Abstecher in die Templiner Gewässer dazu. Von Lychen zum uckermärkischen Templin sind es 44 Kilometer mit sieben Schleusen – das sollte jetzt, in der Nachsaison, ohne Stress in einem Tag zu machen sein (Für die Statistik: Wir haben es in 8¾ Stunden geschafft). Alle Schleusen funktionieren in Selbstbedienung, ausser der zweitletzten, der Schrägwand-Schleuse Kannenburg. Hier ist noch ein Schleusenwärter am Werk, allerdings in Zeitlupe, was sehr zu unserer Entschleunigung beiträgt.
Bleibt noch die 1894/95 erbaute Stadtschleuse, dann laufen wir in den Stadthafen Templin ein. Tönt etwas pompös, ist aber ein kleiner, gepflegter Yachthafen, der von der freundlichen Familie Fröhnel betrieben wird.
Jedenfalls liegen wir hier ruhig und gut vertäut, zwei Dalben beim Heck und ein kurzer, aber solider Steg beim Backbordbug.
Von unserem dreitägigen Aufenthalt in Templin berichten wir nächstes Mal, stimmen Sie aber schon mal mit einer Foto aus der Templiner Innenstadt auf Bericht 107 ein!
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Aus dem Logbuch
- Neustrelitz. Sehr schöner und gut eingerichteter Stadthafen. Wasser, Strom, WC, Duschen, Waschen und Trocknen. Einkaufsmöglichkeiten: Aldi, Lidl, Netto und Kaufland. Die Strelitzer Strasse ist Fussgängerzone und Einkaufsmeile. EDEKA etwas ausserhalb. Zugverbindungen nach Rostock und Berlin. Tierpark. Landestheater. Sommerfestspiele.
- Wolfsbruch. Marina Wolfsbruch. Wasser, Strom, Duschen, Waschmaschine, Trockner, Sauna, Hallenbad, Internet (WLAN). Einkaufsmöglichkeiten sehr beschränkt: Im Hafen ist eine Bäckerei mit Minimarkt. Die nächsten Discounter sind in Mirow und Rheinsberg.
- Rheinsberg. Für Yachten verschiedene Liegemöglichkeiten (vor allem Hafendorf Rheinsberg), grössere Schiffe sind am Steg des Seglervereins Rheinsberg e.V. willkommen. Wasser, Strom, Toiletten. Einkaufsmöglichkeiten: Norma, Aldi, Lidl und, etwas ausserhalb, EDEKA. Gastronomie: Der Ratskeller, Sehenswürdigkeiten: Schloss Rheinsberg, Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum, Keramikmuseum im ehemaligen Spritzenhaus.
- Fürstenberg. Stadtanleger und Yachtclub mit allen Einrichtungen. Gepflegtes, aber für hiesige Verhältnisse teures Restaurant «Am Yachthafen». Einkaufsmöglichkeiten: Netto, Aldi und, etwas ausserhalb, EDEKA. Sehenswürdigkeiten: Das Barockschloss ist im Umbau, angeblich soll ein Wellnesshotel daraus werden. Im Ortsteil Ravensbrück errichteten die Nationalsozialisten 1938 ein Frauenkonzentrationslager mit angeschlossenen Zwangsarbeits-Werkstätten der Firma Siemens. Heute Gedenkstätte mit Ausstellungen.
- Lychen. Kleiner Hafen mit Strom, Wasser, Dieseltankstelle, WC, Duschen. Kostenpflichtig. Einkaufsmöglichkeiten: Netto an der Berliner Strasse 21 und an der Zehdenicker Strasse. Das Städtchen ist nur am Wasser hübsch und gepflegt. Sonst viele leerstehende und verfallende Häuser sowie aufgegebene Geschäfte. Flössereimuseum. Gastronomie: Enttäuschend: «Gasthof am Stadttor». Der versprochene Tisch war nicht reserviert, die Mitteilung, dass wir einen runden Geburtstag feiern würden, wurde nicht übermittelt und der Service war gleichgültig und völlig uninteressiert. Das Essen war in Ordnung. Empfehlenswert: «Strandcafé Lychen». Von aussen, wie der Name sagt, ein simples Strandcafé. Das Essen aber ist gut, frisch zubereitet und günstig, der Service freundlich.