Teupitz – Berlin-Tempelhof
(Teupitz – Teupitzer Gewässer – Königs Wusterhausen – Dahme Wasserstrasse – Seddinsee – Dämeritzsee – Müggelsee – Friedrichshagen – Müggelspree – Köpenick – Oder-Spreee-Wasserstrasse – Britzer Verbindungskanal – Teltowkanal – Berlin-Tempelhof; 77.47 km, 1 Schleuse, 2 Hebebrücken)
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Pünktlich zum meteorologischen Herbstanfang geht das heisse Sommerwetter zu Ende und es wird merklich kühler. Noch ist das Wasser des Teupitzer Sees warm, wärmer als die Luft jedenfalls, sodass wir uns unseren Morgen-, Mittags- und Abendschwumm (noch) nicht nehmen lassen.
Über das Wochenende vom 5./6. September kommen unsere Freunde, an deren Anlegestelle wir liegen und deren Haus und Garten wir hüten, aus England zurück. Nach einem Monat «Ferien» im Teupitzer See ist es jetzt höchste Zeit zum Auslaufen.
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Unsere erste Station ist die Yacht- und Bootswerft Kuhlke in Königs Wusterhausen.
Als Kinette im Winterquartier in Berlin lag, rissen irgendwelche Vollidioten, wie sie überall vorkommen, das Signalhorn am Steuerhaus ab. Zur Überbrückung bis zum für 2016 geplanten Werftaufenthalt in den Niederlanden hatten wir eine jener kleinen Hupen mit Pressluftdose kaufen wollen, die es früher in jedem Geschäft für Bootszubehör gab. Wir mussten uns aber belehren lassen, dass diese praktischen Hupen seit kurzem EU-weit verboten seien. Ein Verbot mehr (dem mit Sicherheit noch viele andere Verbote, Einschränkungen, Richtlinien, Vorschriften und Regulierungen folgen werden). So lassen wir uns von Kuhlke eine Pressluftfanfare montieren, deren tiefen, satten Ton mit seinen 117 Dezibel man garantiert nicht überhört.
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Von Königs Wusterhausen unternehmen wir eine längere Radtour. Diese führt uns bei Bestensee an einer ganzen Reihe im Wald versteckter Hühnerfabriken vorbei. Dabei drängen sich – ob wir das wollen oder nicht – Assoziationen auf.
Auf den Zufahrtswegen zu diesen Fabriken begegnen wir Transportern der Eierfirma X. Im Supermarkt finden wir dann die Eier der Firma X. – als Bio-Eier. Die Adresse lässt keinen Zweifel daran, dass sie aus der erwähnten Anlage stammen. In der Schachtel findet sich folgender Text: «Diese Bio-Eier sind ein Produkt der ökologischen Landwirtschaft. Die Fütterung und die kontrollierte ökologische Wirtschaftsweise entsprechen den anerkannten EU-Richtlinien und werden regelmässig kontrolliert.» Es geht doch nichts über «Bio» und «anerkannte EU-Richtlinien» (gibt es eigentlich auch nicht-anerkannte EU-Richtlinien?). Und für alle BIO-Gläubigen noch eine wirklich gute Nachricht: «Fütterung nach anerkannten EU-Richtlinien» bedeutet, dass wo Bio draufsteht, auch Gentechnik drin sein darf.
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«Unser» Liegeplatz im Hafen Tempelhof in Berlin ist bis Mitte September belegt. Das gibt uns Gelegenheit, die Gewässer östlich von Berlin zu erkunden. Der Umweg über den Seddinsee, den Dämeritzsee, den Müggelsee und Köpenick sieht zumindest auf der Karte verlockend aus.
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Von Teupitz bis zur Schleuse Neue Mühle in Königs Wusterhausen treffen wir nur wenige, kleine Boote. Erst ab Königs Wusterhausen herrscht reger Berufsverkehr, weil hier Kohle für Berlins Kohlekraftwerke umgeschlagen wird. Auf der breiten Dahme Wasserstrasse ist aber weder Überholen von grossen Schubverbänden noch das Kreuzen mit ihnen ein Problem. Warum dabei die Kommunikation per Funk dennoch wichtig ist, werden wir im nächsten Bericht (Bericht 115) erläutern.
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Anstatt direkt auf der Dahme-Wasserstrasse in nordwestlicher Richtung nach Köpenick zu fahren, biegen wir in Schmöckwitz nach Nordosten ab, befahren zuerst den Seddinsee und gelangen dann durch den Gosener Kanal in den Dämeritzsee.
Dort biegen wir über Backbord in die Müggelspree ein, überqueren den Grossen Müggelsee und fahren vorbei an Friedrichshagen die Müggelspree zu Tal. Rechterhand liegt Neu Venedig, ein von kleinen Kanälen durchzogenes Villenquartier. Von der Müggelspree aus sieht man davon nicht viel und mit einem Schiff wie der KINETTE kann man dort ohnehin nicht hineinfahren. Sonst sähe man folgendes Bild:
Ebenfalls an der Müggelspree, aber linkerhand, ist «die Düne». An schönen Sonntagen sei hier keine Handbreit mehr frei, erzählt uns ein Einheimischer, dem wir hier bei unserem Fahrradausflug begegnen.
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In Köpenick können wir an der Müggelspree am Aussensteg des kleinen Yachthafens «Aquaris» anlegen.
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Köpenick ist wegen der Geschichte des Hauptmanns von Köpenick berühmt geworden. Heinz Rühmann hat diese Figur im gleichnamigen Film unsterblich gemacht. Aber die grosse Enttäuschung ist die Altstadt von Köpenick. Sie ist völlig unattraktiv und viele Ladenlokale stehen leer. «Puppenstubencharme» verströmt lediglich eine kleine Strasse, der «Kietz», das ehemalige Fischerquartier. Hier ist die Zeit stehen geblieben.
Die Musik spielt anderswo, nämlich etwas weiter oben an der Müggelspree, dort wo der Müggelsee in die Müggelspree mündet, in Friedrichshagen. Der Unterschied zu den ausnahmslos sauber herausgeputzten holländischen Städtchen vergleichbarer Grösse ist frappant: Hat man nämlich ein einziges holländisches Städtchen gesehen, hat man alle gesehen: In Holland gibt es praktisch überwiegend Geschäfte von Ladenketten wie Zeeman, Blokker und HEMA. Selbst die Bäckereien sind Glied einer Kette «Bakker Bart», und verkaufen industriell produziertes«Brot» (das sich wie Watte anfühlt und auch so schmeckt).
Nicht so in Friedrichshagen (und in Deutschland allgemein nicht). In der Bölsche Strasse reiht sich Boutique an Boutique, Ladengeschäft an Ladengeschäft, Kneipe an Kneipe – und kein einziger Grossverteiler. So sieht eine lebendige Verkaufsstrasse aus!
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Von Köpenick zum Hafen Berlin-Tempelhof, wo auch unsere Freunde von der «M.S. VERANDEREN» liegen, sind es nur rund 15.5 km, die wir in knapp 1¾ Stunden zurücklegen. Hier werden wir mindestens drei Wochen liegen bleiben. Erstens ist in Berlin wie immer viel los und zweitens werden wir hier unsere Enkelin für eine Woche an Bord nehmen.
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Unser nächster Bericht wird aber noch nicht davon, sondern von einer Fahrt mit einem Binnen-Frachtschiff handeln. Dessen Kapitän und Eigner überliess Christian das Steuer für längere Zeit und verhalf ihm so zu einer völlig neuen Perspektive. Hauptthema des nächsten Berichts wird deshalb der «tote Winkel» sein.
Aus dem Logbuch
- Teupitz. Kleiner, gepflegter Yachthafen mit Stromanschluss, Wasser, Toiletten und Dusche. Kostenpflichtig (1 m/ 1 Euro). Reservation beim freundlichen Hafenmeister Hans-Joachim Kaubisch ist empfehlenswert: Telefon 0049 (0)172 38 57 485. Zum Hafen gehört ein Restaurant mit lokaler Küche. Im Ort Bäcker, Apotheke, Eisdiele, DHL-Ablage, Optiker und Sparkasse mit Geldautomat. Etwas ausserhalb Supermarkt (NETTO)
- Prieros. An der Verzweigung der Dahme und der Teupitzer Gewässer liegt die Bootswerft Wendisch. Der seriöse Familienbetrieb gilt als Geheimtipp für Eigner gepflegter Yachten, welche ein sicheres Trocken-Winterlager suchen: Bootskräne bis 30 Tonnen, Zufahrt bis 1.4 Meter Tiefgang. Grosses, eingezäuntes Gelände (Telefon 0049.(0)33768 5 02 56)
- Königs Wusterhausen. Adresse für Reparaturen an Yachten: Yacht- und Bootswerft Kuhlke (techn. Überprüfung, Service, Reparaturen, Sommer- und Winterlager), Werftstrasse 8, 15713 Königs Wusterhausen
OT Niederlehme, Tel. +49 3375 502 976) - Köpenick. «Aquaris», kleine Marina bei km 0 an der Müggelspree. Elektrisch und Wasser. Liegegeld Euro 1.50/m. Ruhige Lage, wenige Fussminuten von der Altstadt Köpenick entfernt.
- Berlin-Tempelhof. Sportboothafen am Teltow-Kanal mit Elektrisch (16 Ampère), Wasser, Toiletten und Duschen (Allerdings nur je eine Herren- und Damentoilette resp. -dusche für den ganzen Hafen). Keine Kostenpflichtig. Direkt am Hafen im ehemaligen Lagergebäudekomplex grosses Einkaufszentrum mit EDEKA, Reformhaus, Media-Markt, Apotheke, Drogerie, Ärztezentrum, Sparkasse etc.. Nähe Bus und U-Bahnstation Ullsteinstrasse. Kann an schönen Sommerwochenenden vom gegenüberliegenden Eventlokal lärmig sein. Sonst ruhig und im üblichen Rahmen sicher (Security). Die beiden Hafenmeister Toni Rüffer und Jens-Uwe Stiebitz sind sehr hilfsbereit.
- Berlin und Umgebung. Adresse für Bootselektronik und -elektrik, Fehlersuche, Beratung und Reparatur: Andreas Langbein. Mobil: 0173-908 48 36. Kam pünktlich und war kompetent.
Ihre Berichte verfolge ich natürlich eifrig, insbesondere die Berichte über die Fahrten nach Berlin und zur Müritz 🙂 Ich bin wirklich immer wieder begeistert über Ihre ausführlichen Schilderungen und Bilder!
Guten Abend Charlotte und Christian,
vielen Dank für den neuen Bericht (114) der wieder sehr schön und informativ ist.
Besonders der kritische Blick auf die „Bio-Hühnerfarm“ mit dem entsprechenden Vergleich finde ich sehr gut.
Danke, gute Fahrt und einen kurzen erträglichen Winter wünscht
Rolf