Harlingen – Âlde Feanen – Echtenerbrug – Vollenhove – Elburg – Huizen
(227 Kilometer; 6 Schleusen, 14 Dreh- und Hebebrücken)
Darauf haben Sie (und wir!) lange warten müssen: Nach den Farbberichten endlich wieder ein Fahrbericht!
Auf dem Van Harinxmakanaal fahren wir Richtung Leeuwarden, bleiben aber auf dieser Schifffahrtstrasse und biegen deshalb vor Leeuwarden über Steuerbord ab, bis wir bei Fonejacht wiederum hart über Steuerbord auf den Prinses Margriet Kanaal einbiegen. Auf demselben fahren wir aber nur rund drei Kilometer, weil wir – diesmal hart über Backbord – in den Lange Sleatten abbiegen, der uns geradewegs in die Gegend um Earnewâld führt Die Âlde Feanen (friesisch) resp. Oude Venen (niederländisch) resp. Alte Moore (deutsch) sind eines der schönsten erhaltenen Tiefmoorgebiete der Niederlande mit Schilfdickicht und sumpfigen Wäldern. Wir finden einen einsamen Liegeplatz an einem Inselchen am Südende des Saiterpolders.
Das ist jetzt genau das, was uns nach sechs Wochen Werft ziemlich dringend gefehlt hat: Stille und Natur pur.
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Wir könnten locker noch ein paar Tage hier bleiben, würde nicht unvermittelt unser sonst zuverlässiger Generator streiken. Aus unerfindlichen Gründen «verhungert» er, wie wenn er nicht genug Diesel bekäme. Aber eine erste Inspektion des Ölstandes, der Wasserkühlung und der Dieselzufuhr ergibt keine Auffälligkeiten. Also entschliessen wir uns zur Weiterfahrt nach Echtenerbrug. Wir wählen die Fahrt über den Scharster Rien, der vor Echtenerbrug unter der Autobahnbrücke «Scharsterbrug» hindurch führt. Diese Autobahnbrücke wird nur ungern und wegen des dichten Verkehrs zwischen 16:15 und 18:15 Uhr gar nicht gehoben. Das macht aber nichts, weil die Durchfahrtshöhe auch im gesenkten Zustand bei normalem Wasserstand 3.50 Meter beträgt – wir können Mast, blaue Tafel. Antennenbügel und Beibootkran mit wenigen Handgriffen bis auf 3.18 Meter abbauen. Aber Sie ahnen den Haken schon: «bei normalem Wasserstand». Wir erfassen zwei Dinge gleichzeitig. Erstens: Wir schaffen es nicht. Zweitens: Es ist 16:14 Uhr. Ein Telefonanruf an die Bedienungszentrale, der unsichtbare Brückenwärter ist milde gestimmt, stellt die Lichter für den einsetzenden Stossverkehr auf Rot, lässt auf der Autobahn die Schranken herunter, hebt die Brücke und gibt uns grünes Licht. Manchmal muss man einfach Glück haben!
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In Echtenerbrug treffen wir Paul und Ursula Mani an. Sie gaben uns vor zwölf Jahren, als sie mit ihrem Hotelschiff «St. Antonius» in der alten Schleuse in St Jean de Losne lagen, wertvolle Tipps bei der Suche nach einem Schiff. Jetzt nehmen sie es mit ihrem Trawler «Albatros» gemütlicher als seinerzeit mit dem Hotelschiff.
Von Echtenerbrug aus rufen wir die Jachtwerft «De Voorst» in Marknesse am Vollenhoverkanal an, wo wir Ende April auf der Hinfahrt nach Harlingen längsseits des «Kabeljauw» von Dominique Danzeisen und Fredi Leijenaar lagen. Ja, natürlich hätten sie einen Liegeplatz für uns und übrigens seien Maya und Stefan Reichling über das Wochenende im Hafen auf ihrer «Seeland».
Sie erinnern sich: Im Bericht Nr. 80 erzählten wir die Geschichte des Transports des ehemaligen Bielersee-Passagierschiffes «Seeland» in den Basler Rheinhafen. Von dort aus fuhren Stefan und Maya mit ihrer Neuerwerbung den Rhein hinunter nach Marknesse, wo sie bei der Jachtwerft «De Voorst» einen Dauerliegeplatz mieten konnten.
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Trudi, die mit ihrem Partner Rien zusammen die Werft führt, verspricht uns, den Reichlings nichts von unserer bevorstehenden Ankunft zu sagen. Es soll eine Überraschung werden. Und dieselbe gelingt perfekt. Grosses Hallo – «Endlich wieder einmal Schwyzertüütsch!» – und dann bestaunen wir die bereits weit fortgeschrittene Transformation des ehemaligen Bielersee-Passagierschiffs zum Wohnboot.
Und beide, Stefan und Maya tun Gutes für uns. Stefan bringt den Generator wieder zum Laufen (ein Zufuhrventil hat geklemmt und deshalb nicht richtig geöffnet) und Maya programmiert unseren Receiver auf die neuen HD-Sender des schweizerischen Staatsfunks und -fernsehens um.
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Bei alledem ist das Wetter über dieses Wochenende sehr freundlich, weshalb uns die Reichlings kurzerhand zu einer Spritzfahrt nach Blokzijl einladen. So kommt es, dass wir es uns auf dem Achterdeck der «Seeland» gemütlich machen und aus vollen Zügen geniessen, dass wir einmal einfach zuschauen dürfen.
Nur bei der Durchfahrt durch die Sperrschleuse von Blokzijl – welche deutlich schmaler erscheint, als die «Seeland» breit ist – steigt Christian zu Stefan ins Steuerhaus hoch. Aber es gibt nichts auszusetzen, Stefan fährt souverän durch die Engstelle, wobei backbord und steuerbord wohl kaum mehr als eine Handbreit Platz war.
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Am nächsten Tag heisst es Abschied nehmen. Unser Ziel ist Elburg am Drontermeer, das zu den Randmeren gehört. Elburg war ursprünglich einmal ein Fischerhafen an der Zuiderzee. Mit dem Bau des Abschlussdeichs wurde aus der Zuiderzee (Salzwasser) das IJsselmeer (Süsswasser) und die Fischerei brach praktisch zusammen. Im 20. Jahrhundert wurde einem Teil des IJsselmeers Land abgewonnen – ein sogenannter Polder – und die Provinz Flevoland entstand. Zwischen Flevoland und der ehemaligen IJsselmeerküste beliess man einen breiten Streifen Wasser, welcher eine zusammenhängende Kette von grossen Seen bildet, die Randmeren, zu deutsch «Randseen».
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Elburg hat seit unserem letzten Besuch im September 2010 (siehe Bericht Nr. 69) aufgerüstet: Ein ultramodernes Hafenmeister-Gebäude und neue Stege. Das schlägt sich im Preis nieder, wir lassen für unser Schiff (22.5 Meter Länge) inklusive Touristensteuer für eine Nacht satte 30.80 Euro liegen. Andererseits ist Elburg ein attraktives Städtchen, in welchem man herrlich flanieren kann.
Der Gemeindehafen ist gut besetzt, nur ein einziger Liegeplatz für unsere Länge ist noch frei. Der Grund wird schnell sicht- respektive hörbar: Zwei Gemeindearbeiter bauen lautstark eine Steintreppe mit Motor-Steinsäge und Bodenverdichter. Aber in Kenntnis der niederländischen Arbeitstage, welche für diese Arbeiter um 16:00 Uhr enden, lassen wir uns diesen Liegeplatz nicht entgehen.
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Die fünfundfünfzig Kilometer von Elburg nach Huizen sind Genuss pur. Das Wetter ist freundlich, der Wind mässig und wir können in die Nijkerker-Schleuse zwischen der Nulder- und der Nijkerker Enge ohne Wartezeit einfahren. In Huizen waren wir letztmals im Mai 2013 (Bericht Nr. 92). Damals lagen wir im Jachthafen, dieses Mal fahren wir den Gemeindehafen mit seinem 300 Meter langen langen Westquai an.
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Wir werden in Huizen noch einen Hafentag anhängen, bevor wir über das Gooimeer nach Muiden fahren. Von dort aus wollen wir die Vecht nach Utrecht befahren. Das ist einer der schöneren Flüsse in Südholland, landschaftlich wie architektonisch. Bleiben Sie dran!
Aus dem Logbuch
- Marrekrite-Liegeplätze in Friesland. Die als Stiftung organisierte Marrekrite unterhält rund 3’500 Gratis-Liegeplätze in freier Natur. Maximale Liegezeit 3×24 Stunden. An den Marrekrite-Liegeplätzen sind keine weiteren Einrichtungen vorhanden. Es gelten bezüglich Lärm, Abfall, Feuer etc. die üblichen Regeln, welche theoretisch unter zivilisierten Menschen üblich sind.
- Echtenerbrug. Reichlich Liegeplätze auch für grosse Schiffe zwischen Hebebrücke und Tjeukemeer. Kostenpflichtig. Strom, Wasser, Duschen, WC, Wasserette. Kleiner Supermarkt im Ort. Schiffszubehör. Jachtvermietungen Turfskip und Merenpoort.
- Marknesse. Unweit Vollenhove, welches seinerseits über einen hübschen Hafen verfügt (den wir aber nicht angelaufen haben) sowie gute Einkaufsmöglichkeiten. In Marknesse Jachtwerf «De Voorst». Passantenliegeplätze mit Strom und Wasser. Kostenpflichtig. Toilettengebäude.
- Randmeren. In den Randmeren gibt es zahlreiche idyllische, Marrekrite-ähnliche Liegeplätze. Auf der Karte (ANWB Waterkaart E, Randmeren/Flevoland) eingezeichnet.
- Elburg. Zahlreiche von der Gemeinde verwaltete Liegeplätze an den beiden Ufern des zum Städtchen führenden Hafenkanals (Euro 1.30/Meter/Nacht plus Touristensteuer). Wasser und Elektrisch. Einkaufsmöglichkeiten. Abendverkauf Freitag, Wochenmarkt Di 09.00–12.00 Uhr. Sehenswürdigkeiten: Historisches Museum «De Visafslag» und das Gemeindemuseum. Gastronomie: «De Vischpoort» (0525-681303) und «De Vischmarkt» (0525-681378).
- Huizen. Stiftung Jachthafen Huizen «t Huizerhoofd». Zufahrt 100 Meter nach der Hafeneinfahrt nach backbord. Passantenliegeplätze. Für grössere Schiffe nur an den Kopfstegen.Alle Einrichtungen, aber teuer. Weitere Liegeplätze im Gemeindehafen an einem 300 m langen Pier, nach der Hafeneinfahrt nach steuerbord und am historischen Hafenquartier vorbei. Kostenpflichtig. Strom und Wasser. Duschen und Toiletten im Hafenmeistergebäude. Huizen hat eine attraktive Einkaufszone, etwa 15 Gehminuten vom Hafen entfernt (Wegweiser «Oude Dorp» folgen).
Liebe Charlotte und Christian, bei Turfskip haben wir mehrmals ein Boot gemietet und mit den damals kleinen Buben unvergessliche Famlienferien verbracht. Mit der Lektüre Eures Schiffstagebuches werden immer wieder schöne Erinnerungen wach. Herzliche Grüße von Roli und Beatrice