(Weener –) Herbrum – Oldenburg – Bremen
(Ems, Dortmund-Ems-Kanal, Küstenkanal, Hunte, Unterweser; 176.5 km, 5 Schleusen, 2 bewegliche Brücken)
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Am Morgen des Auffahrtstages werfen wir in Herbrum die Leinen los, fahren ein Stück weit auf dem Dortmund-Ems-Kanal bis zur Schleuse Bollingerfähr, die wir ohne Wartezeit passieren und biegen wenig später über Backbord in den Küstenkanal ein.
Kurz nach der Abzweigung fahren wir in die Schleuse Dörpen ein und auch hier sind wir ganz allein. Dann liegen knapp 70 Kilometer Küstenkanal vor uns. Kennen Sie die Steigerung von «langweilig»? Langweilig, langweiliger, Küstenkanal. Die besagte Wasserstrasse bietet praktisch keinerlei Abwechslung. Nach Dörpen bis Oldenburg gibt es keine Schleusen mehr und der Kanal verläuft praktisch geradeaus. Auch die Ufer bieten wenig Abwechslung. Ausser zwei oder drei kleinen Yachthäfen haben wir keine Liegemöglichkeiten gesehen. Weil Feiertag ist, ist auch kein Berufsverkehr unterwegs. Bei der Ausfahrt aus der Schleuse Dörpen begegnen wir einer kleinen Motoryacht. Dann sind wir sechs lange Stunden lang allein unterwegs. Aber der langweiligste Tag auf dem Wasser ist immer noch besser als zehn Minuten auf der Strasse.
Eigentlich hätten wir die Schleuse Oldenburg passieren und im dortigen Stadthafen anlegen wollen. Aber der Hafen ist eine Baustelle und es gibt keine Liegemöglichkeit für uns.
Kurz vor Oldenburg unterhält «Yachtcharter Nordwest» in Wardenburg eine Anlegestelle, die exakt für unsere Länge reicht. Der Eigentümer der Liegestelle, Helmut Lucka, ist Kapitän zur See, als Weserlotse tätig und versorgt uns mit wertvollen Tipps.
Wardenburg liegt zwischen dem Küstenkanal und dem idyllischen Fluss Hunte. Nach der Schleuse Oldenburg ist die Hunte Tidengewässer und mündet bei Elsfleth in die Weser.
Von unserem Liegeplatz führt ein Radweg dem Küstenkanal entlang nach Oldenburg. Ein weiterer Radweg folgt der Hunte.
Oldenburg war bis 1918 Herzogtum und bis 1946 Freistaat. Heute zählt es rund 160’000 Einwohner. Die Innenstadt ist mit 30 Hektaren die erste und grösste Fussgängerzone Deutschlands. Oldenburg wurde im Zweiten Weltkrieg praktisch nicht zerstört und anfangs Mai 1945 kampflos von kanadischen und britischen Truppen eingenommen. Deshalb prunkt die Stadt nicht nur mit dem grossherzoglichen Schloss, sondern auch mit unzähligen guterhaltenen Altstadthäusern.
Wir nehmen uns eine Woche Zeit, um Oldenburg mit dem Fahrrad und zu Fuss zu erkunden. In dieser Zeit besuchen uns Therese Christen und Christian Würgler. Sie sind mit ihren beiden Hunden per Wohnmobil unterwegs nach Trosa in Schweden, wo ihre Luxemotor «Fenna» den Winter verbracht hat.
Von Oldenburg nach Bremen fährt man zuerst auf der Hunte nach Elsfleth, wo sie in die Unterweser mündet. Unser Berufsschifferfreund Frank Kordbarlag hat uns zur Fahrt von Oldenburg nach Bremen folgendes geschrieben:
Timed die Fahrt von Oldenburg nach Bremen so, dass Ihr 30 Minuten nach Niedrigwasser bei der Huntebrücke ankommt – die Kurven können sonst etwas tricky werden. Ausserdem spült euch dann die Tide direkt nach Bremen. Die Schleuse Oldenburg hat einen Zettel mit den Funkkanälen, weil Ihr euch permanent irgendwo melden müsst, die Hunte und Unterweser sind radarüberwacht wegen den dann doch etwas größeren Schiffen, die da von der Nordsee kommen.
Dieser Ratschlag leuchtet ein. So kann man die Spitzkehre bei Elsfleth in die Weser bei kenternder Tide fahren und gelangt mit auflaufendem Wasser nach Bremen. Für dieses Ausnützen von Ebbe und Flut ist die Gezeitentabelle unerlässlich. Aber es lohnt sich, weil man Treibstoff spart und mit der Strömung schneller fährt.
Hunte und Unterweser sind Seeschifffahrtsstrassen und für solche benötigen wir einen Lotsen, der uns von Oldenburg bis Bremen begleitet.
Kurz nach der Schleuse Oldenburg muss die stark befahrene Cäcilienbrücke für uns gehoben werden. Dieses technische Fossil soll in absehbarer Zeit ersetzt werden.
Unmittelbar danach folgt die Eisenbahnklappbrücke Drielake. Sie wird einmal pro Stunde gehoben. Nach kurzer Wartezeit fahren wir mit ablaufendem Wasser auf der Hunte zu Tal. Die muntere Strömung macht einige Kurven namentlich für grosse Schiffe heikel, worauf uns ja auch Frank Kordbarlag hingewiesen hat.
Wir sind etwas zu früh in Elsfleth und so lassen wir uns auf der Unterweser vom ablaufendem Wasser Richtung Bremerhaven tragen. In Brake kentert die Tide, d.h. das Wasser steht still, bevor dann die Flut einsetzt und wir mit der Strömung nach Bremen fahren können.
Zwischen Elsfeth und Bremen liegen mehrere Werften, auf welchen Mega-Yachten gebaut werden. Über den Auftraggebern liegt der Schleier der Diskretion und was das Design betrifft, so lässt sich über Geschmack bekanntlich streiten.
In Bremen gibt es verschiedene Liegemöglichkeiten. Die bekannteste ist die Marina an der Schlachte, einer Uferpromenade entlang der Weser. Allerdings liegt man dort wegen des regen Schiffsverkehrs und der nahen Strassenbrücke wellen- und lärmmässig unruhig. Unser Lotse hat uns deshalb im Europahafen angemeldet. Dort erhalten wir den Liegeplatz, den bis vor einiger Zeit der Dreimaster «Alexander von Humboldt», das Wahrzeichen von Beck’s Bier, belegte.
Der Europahafen war früher ein Handelshafen. Er wird auf beiden Seiten von ehemaligen Speicher- und Lagerhäusern flankiert. Nachdem Bremerhaven Bremen als Handelshafen weitgehend abgelöst hat, werden grosse Flächen um den Europahafen unter dem Label «Überseestadt» entwickelt. Aus den alten Speicherhäusern werden Lofts und andere Wohnungen, Eventlokale, Büros, Werkstätten, Restaurants etc.
Die alte Hansestadt Bremen ist in jedem Fall einen längeren Aufenthalt wert. Davon wird unser nächster Bericht handeln.
Aus dem Logbuch:
- Oldenburg (Wardenburg). Liegeplatz der «Yachtcharter Nordwest». Strom und Wasser werden pauschal abgerechnet. Sanitäre Anlage, Waschen und Trocknen. In Wardenburg selbst EDEKA, Bäcker, Fleischer. Gastronomie: Restaurant «Wöbken, Hundsmühler Krug» mit Anlegestelle für Schiffe. Alle Einkaufsmöglichkeiten in Oldenburg, zehn Fahrradminuten entfernt oder mit Bus.
- Bremen. Europahafen. Kostenpflichtig (Euro 1.20/m). Strom und Wasser werden nach Verbrauch abgerechnet. Sanitäre Anlagen, Waschen und Trocknen. Aldi fussläufig. Fünf Fussminuten zu Bus- und Strassenbahnhaltestellen. Drei Haltestellen bis zum Zentrum oder der Weser entlang mit dem Fahrrad. Im Zentrum alle Einkaufsmöglichkeiten. Kein Strassenverkehr. Tag und Nacht ruhiger Hafen.