Bremen, Farge, Vegesack und Bremerhaven
Wir liegen immer noch im Europahafen in Bremen. Das Gewässer ist die Unterweser und diese ist von ihrer Mündung in die Nordsee hinauf bis zur Weserschleuse in Bremen Tidengewässer. Das bedeutet, dass wir bei Ebbe Niedrigwasser und bei Flut Hochwasser haben. Der Unterschied zwischen Niedrig- und Hochwasser, der sogenannte Tidenhub, beträgt hier rund vier Meter und zeitlich rund sechs Stunden.
Würden wir direkt an einer Spundwand oder Quaimauer (hier heisst das «Kaje») liegen, müssten wir das Schiff mit sehr langen Leinen belegen. Sonst würde sich das Schiff bei ablaufendem Wasser aufhängen. Hier aber liegen wir an einem schwimmenden Ponton. Die Veränderung des Wasserstandes merken wir eigentlich nur an der Neigung der Gangway.
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Während unseres Aufenthaltes in Bremen begibt es sich, dass unsere Waschmaschine das Zeitliche segnet – und dies nach dreizehn Jahren treuen Diensten. Das Ersetzen einer Waschmaschine ist in einem normalen Haushalt keine grosse Sache: Alte raus und Neue rein. Auf einem Schiff ist das ein bisschen komplizierter. Erstens haben Schiffstüren und -luken keine Normmasse (bei uns sind es 53 cm Türbreite). Zweitens muss die Maschine in der Lage sein, das Waschwasser über die Wasserlinie hinaus abzupumpen (bei uns ist das rund ein Meter). Damit sind die Anforderungen an unser neues Waschgerät definiert.
Im SATURN finden wir eine «Bauknecht», welche zwar 60 cm breit, aber nur 52 cm tief ist. Abpumpen kann sie laut technischer Beschreibung bis auf eine Höhe von 1.20 m.
Die Maschine wird direkt ans Schiff geliefert und von zwei kräftigen jungen Männern zentimetergenau durch die Steuerhaustüre und den Niedergang in die Achterkabine gehievt. Die Blamage, falsch gemessen zu haben, bleibt uns glücklicherweise erspart.
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Fährt man nun von Bremen auf der Weser «zu Tal» – wie das auf dem Wasser heisst – Richtung Bremerhaven, so sieht man am rechten Ufer beim Dorf Farge einen riesigen Bunker, den Bunker Valentin. Mit 426 m Länge, bis zu 97 m Breite, 33 m Höhe und bis zu 7 m dicken Decken und Wänden ist es eines der massivsten Gebäude der Welt, gebaut von rund 10’000 Zwangsarbeitern unter unsäglichen Bedingungen. 1942 hatte die Deutsche Kriegsmarine entschieden, ein schnelleres und länger tauchfähiges Unterseeboot zu bauen. Die bis dahin von den Alliierten gefürchteten «Wölfe der Meere» hatten immer höhere Verluste erlitten. Genau gesehen handelte es sich zu jener Zeit gar nicht um richtige Unterseeboote. Sowohl bei der Marschfahrt mit den Dieselmotoren als auch beim Angriff mussten sie aufgetaucht bleiben. Nur wenn sie entdeckt wurden, tauchten sie. Unter Wasser mussten sie mit Elektromotoren fahren. Dabei waren sie wegen der beschränkten Kapazität der Akkus langsam und konnten auch nicht lange abgetaucht bleiben. In den letzten beiden Kriegsjahren entwickelte die Deutsche Kriegsmarine deshalb das U-Boot Typ XXI – stromlinienförmig, mit leistungsfähigen Akkus und Diesel- sowie Elektromotoren ausgerüstet.
Dieses revolutionäre U-Boot wurde im Bunker Valentin gebaut. Alle zwei Tage hätte ein U-Boot die Werft verlassen sollen. Zwar kamen die ersten U-Boote dieses Typs noch an die Front. Sie hätten eine gefürchtete Waffe werden können, aber sie feuerten keinen einzigen Torpedo mehr ab, denn der Krieg war bereits zu Ende.
In Bremerhaven liegt das ursprüngliche U 2540, welches nach Kriegsende unter dem Namen «Wilhelm Bauer» von der Deutschen Bundesmarine als Schul- und Erprobungsboot in Dienst gestellt wurde. Seit 1984 liegt die «Wilhelm Bauer» im Alten Hafen beim Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven als Museums-U-Boot.
Wir besichtigen das U-Boot und sind von dieser geballten Ladung Technik auf engstem Raum fasziniert. Platzangst darf man hier nicht haben. Gleichzeitig ist das Wissen beklemmend, dass U-Boote im Zweiten Weltkrieg für rund 30’000 Seemänner zum stählernen Sarg wurden.
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Etwas weiter flussabwärts von Farge ist Vegesack. Hier liegt das Kontrastprogramm zur «Wilhelm Bauer», das Schulschiff «Deutschland». Die «Deutschland» ist mit ihren drei bis zu 52 m hohen Masten ein sogenanntes Vollschiff. Voll aufgetakelt verfügt sie über 25 Segel mit einer Fläche von fast 2’000 Quadratmetern. Der einzige Motor an Bord ist ein kleiner Generator für die Notbeleuchtung.
In ihrer aktiven Zeit von 1927 bis 1939 überquerte sie ein Dutzend mal den Atlantik und bis 1944 noch öfter die Ostsee bis nach Helsinki. Heute ist die «Deutschland» nicht nur ein Museumsschiff, sondern man kann auf ihr sogar übernachten. Selbst für kirchliche und standesamtliche Trauungen kann man das Schiff buchen. Nur gesegelt wird sie – leider! – nicht mehr.
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Am rechten Weserufer in Vegesack fällt uns ein kontrollturmähnliches Gebäude auf. Es ist mit «Signalstation» angeschrieben. Was es damit auf sich hat erklärt uns der freundliche Manfred Haarhaus. Einst wurde hier die Schifffahrt Tag und Nacht überwacht. Heute hat dies die Zentrale «Wesertraffic» übernommen. Und aus der Signalstation ist ein kleines Museum geworden.
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In Bremerhaven steht am Ufer der Weser ein alter Semaphor, ein 20 m hoher Mast. Daran werden die Windrichtung (mit den Pfeilen in den Kreisen) und die Windstärke (mit den Flügeln in der oberen Hälfte des Mastes) auf den Inseln Borkum und Helgoland angezeigt.
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Zurück in Bremen wohnen wir dem Schauspiel der Ankunft des neuen Matjes-Herings bei. Per Schiff werden die ersten Fässer mit der gepökelten Delikatesse geliefert. Mit viel Trari und Trara, von singenden Schulkindern über das Anstechen des ersten Fässchens, der feierlichen Verkostung des ersten Herings durch den Bürgermeister bis zur amerikanischen Versteigerung eines Heringfässchens zu wohltätigen Zwecken.
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Im Schnoor-Viertel in Bremen sind wir übrigens auf einen kleinen Laden gestossen, den wir nicht unerwähnt lassen dürfen. Es ist das «Atelier GAG», welches Papiermodelle und Bastelbögen aus aller Welt führt. Die Papiermodelle sind teilweise unglaublich komplex und detailreich. Unsere besondere Trouvaille ist aber ein Modellbogen des Rathauses von Zürich, erschienen 1989 im «Pädagogischer Verlag des Lehrervereins Zürich». Ob dieser Modellbogen in der Schweiz überhaupt noch erhältlich ist, wissen wir nicht. Wir aber haben ihn (neben anderen Papiermodellen) für 3.50 Euro erworben.
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Schon mehrmals war ein Fernsehteam an Bord unseres Schiffes, in den Niederlanden, in Belgien in Frankreich und in Deutschland. Dabei ging es meist um unser Leben auf dem Wasser. Auch hier in Bremen besuchte uns ein Team des Schweizer Fernsehens. Dabei ging es um ein politisches Interview. Da wir hier keinen politischen Blog schreiben, gehen wir nicht näher auf den Inhalt des Interviews ein, sondern belassen es bei einer Illustration des medialen Besuchs.
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So gehen unsere Tage in Bremen zu Ende und es wird Zeit, auf der Mittelweser nach Minden zu fahren.
Logbuch:
Wir haben Farge, Vegesack und Bremerhaven von Bremen aus mit dem Fahrrad, der Bahn und dem Kursschiff «Oceana» besucht. Es gibt deshalb zu dieser Reise keinen Eintrag im Schiffs-Logbuch.